In Malaysia ringt die islamische Regierungspartei um ihre Macht
KNA 03.03.2014
Stellvertreterkrieg um Allah
In Malaysia ringt die islamische Regierungspartei um ihre Macht
Von Michael Lenz (KNA)
Kuala Lumpur (KNA) Am Mittwoch wird in Malaysia die nächste juristische Runde im sogenannten Allah-Streit eingeläutet. Ein Bundesgericht muss entscheiden, ob die katholische Kirche gegen das Verbot klagen darf, für Gott die landessprachliche Bezeichnung "Allah" zu verwenden. So hatte es ein Berufungsgericht vom Oktober 2013 verfügt.
"Einige Leute bei uns haben völlig den Verstand verloren", sagt die Bürgerrechtsaktivistin Marina Mahatir. Sie meint damit extremistische islamische Organisationen, aber auch Ministerpräsident Najib Razak, der diese gewähren lässt. "Sie benutzen Religion, um von den wirklichen Problemen des Landes abzulenken, etwa der Wirtschaft."
Seit Malaysias Regierung bei der Wahl im vergangen Mai nur knapp ihre Macht halten konnte, vergeht kaum eine Woche, in der nicht verbündete muslimische Partnerorganisationen einen Schuldigen für das Wahldesaster vorführen. Abwechselnd sind es chinesischstämmige Malaysier, Liberale, Homosexuelle, Schiiten, Hindus, Kommunisten, Atheisten und Juden, die angeblich eine Bedrohung des Islam in Malaysia darstellen.
Als Feind Nummer eins aber werden seit mehr als fünf Jahren systematisch die Christen aufgebaut. Als Beweis für eine "christliche Verschwörung" gegen Islam und Vaterland soll der über vierhundert Jahre alte Brauch von Christen dienen, in Gottesdiensten und in der Bibel in der Landessprache Bahasa Malaysia das Wort "Allah" zu verwenden. Das Kalkül der Ultrakonservativen in der Regierungspartei UMNO und ihrer islamischen Partner ist simpel: Durch die vermeintliche Bedrohung des Islam will die UMNO sich als Verteidiger von Gott und Vaterland stilisieren und vor allem die muslimische Landbevölkerung bei der Stange halten. Dabei lässt sich die Regierungspartei auch nicht von Analysen beeindrucken, die zeigen, dass sich das Schüren von Feindbildern an der Wahlurne praktisch nicht auszahlt.
In urbanen Zentren hingegen gibt es eine wohlhabende, gebildete und über Medien gut informierte Mittelschicht aus Angehörigen aller ethnischen Gruppen. Sie hat laut unabhängigen Wahlforschern die Nase voll von Korruption und Vetternwirtschaft während der jahrzehntelangen UMNO-Herrschaft. Diesen Stimmungswechsel hat die Partei jedoch verschlafen. Marina Mahatir, Tochter des früheren Ministerpräsidenten Mohammed Mahatir, einer Galionsfigur der konservativen malaiisch-muslimischen Nationalisten, sagt über die Partei ihres Vaters: "Sie ist wie gelähmt. Sie hat keine Ideen mehr."
Der amtierende Ministerpräsident Najib war bei seiner Machtübernahme 2009 als Reformer angetreten - und ist Beobachtern zufolge gescheitert: Viele Wähler verweigerten ihm nach der ersten Amtszeit 2013 ihre Stimme, weil ihnen die Erneuerung nicht weit genug ging. Umgekehrt bekämpfen Ultras in der eigenen Partei jeden Reformansatz als Bedrohung ihrer Macht. Die häufigen Warnungen der Hardliner an die Malaysier, ja nicht mit dem "unislamischen" Arabischen Frühling zu liebäugeln, kommen nicht von ungefähr.
Christen und Muslime, die das Allah-Verbot kritisieren, geraten deswegen ins Visier von Islamisten, etwa Pater Lawrence Andrew, Chefredakteur des katholischen Wochenblatts "Herald". Weil er auf den Gebrauch von "Allah" in der Landessprache besteht, droht ihm eine Anklage wegen Volksverhetzung. Ähnlich zog sich die katholische Parlamentsabgeordnete Teresa Kok den Zorn von Islamisten zu, indem sie sich auf YouTube in einer Politsatire über die Regierung lustig machte. Politische Gegner bezichtigen sie des Landesverrats und der Islamfeindlichkeit.
Selbst Marina Mahatir wird als Nestbeschmutzerin beschimpft, seit sie im Januar gemeinsam mit anderen Muslimen mit Blumen in den Händen eine katholische Kirche in Klang vor militanten Muslimen schützte. "Das war keine Einzelaktion", sagt sie über ihren Widerstand. "Immer häufiger tun Muslime das Richtige und treten für die Rechte anderer Religionen ein." Als Vorstandsmitglied der progressiven Frauenorganisation "Sisters in Islam" will sie ein anderes Bild von Muslimen vermitteln: "Der Islam ist eine Religion des Friedens."
(KNA - oknkn-89-00030)
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