Regierung muss herbe Kritik für Terrorismusbekämpfung einstecken
KNA 14.11.2014
Von Katrin Gänsler (KNA)
Abuja (KNA) Die Terrorgruppe Boko Haram ist in Nigeria weiter auf dem Vormarsch. Die Blutbäder der Terroristen werden immer brutaler. In mittlerweile drei Bundesstaaten haben sie ganze Dörfer und Städte besetzt. Die leeren Versprechen von Politik und Militär, dem Terror bald ein Ende zu bereiten, frustrieren viele Bewohner in Afrikas bevölkerungsreichstem Staat nur noch weiter. Immer mehr Menschen werden ungeduldig und sind irritiert. "Ist das wirklich das beste, was wir tun können?" Mit dieser Frage machte sich am Donnerstag der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im nigerianischen Senat, George Sekibo, ordentlich Luft. Damit sprach er aus, was Millionen Nigerianer derzeit gleichermaßen besorgt und verärgert. Die 2002 gegründete Terrorgruppe Boko Haram rückt weiter in Richtung Süden vor. Gegenwehr von Armee oder Polizei gibt es offenbar längst nicht mehr. "Es scheint so, als seien die Unruhestifter auf Klassenfahrt", wetterte Sekibo in Richtung Kenneth Minimah, einem der führenden Armeegeneräle. Der konterte nur lahm: "Sehr bald werden wir diese und auch andere Gebiete zurückerobern."
Danach sieht es derzeit wirklich nicht aus, im Gegenteil: Mitglieder der Terrorgruppe sollen am Freitag erneut Chibok angegriffen haben, wie am Nachmittag die Tageszeitung "Daily Trust" unter Berufung auf den Ortsvorsteher berichtete. Nach dessen Informationen sollen viele Bewohner auf der Flucht sein und sich versteckt halten. Wie viele von ihnen getötet wurden, ist noch unklar.
Chibok, jenes Städtchen im Bundesstaat Borno, erlangte im April traurige Berühmtheit, als knapp 300 Schülerinnen entführt wurden, während sie gerade ihre Abschlussprüfungen schrieben. 219 von ihnen befinden sich bis heute in der Gewalt der Terroristen. Bekannt wurde der Vorfall vor allem durch die Twitter-Kampagne #BringBackOurGirls, an der sich anfangs Prominente wie Carla Bruni oder Michelle Obama beteiligten. Angehörige und Aktivisten treffen sich noch heute täglich in Abuja, um Druck auf die Regierung auszuüben - doch vergeblich. Diese hatte in den vergangenen Monaten mehrfach versprochen, die Mädchen "zeitnah" zu befreien.
Die Angriffe auf sogenannte weiche Ziele wie Dörfer, Märkte, Kirchen und Schulen gehören mittlerweile zur Strategie der Terrorgruppe. Gerade in ländlichen Regionen sind sie häufig gar nicht geschützt. Doch auch in Städten wie Potiskum, der Hauptstadt des Bundesstaates Yobe, haben Selbstmordattentäter ein leichtes Spiel. Dort richtete am Montagmorgen ein Mitglied der Gruppe ein Blutbad an, als er eine weiterführende Schule stürmte. Bei dem Angriff kamen 47 Schüler ums Leben; Dutzende wurden teils schwer verletzt. Die Vereinten Nationen sowie das Kinderhilfswerk verurteilten den Angriff.
Staatspräsident Goodluck Jonathan spricht bildreich von einer "schwarzen Wolke über unserer Nation". Zugleich zeigte er sich am Tag nach dem verheerenden Anschlag siegesgewiss, dass der Kampf gegen den Terrorismus gewonnen werden könnte. Bei seinem Auftritt auf dem Eagle Square in der Hauptstadt Abuja kündigte er außerdem an, 2015 erneut für das höchste Staatsamt kandidieren zu wollen. Kritik, die Regierung habe die Terrorismusbekämpfung kein bisschen im Griff, ließ Jonathan nicht gelten.
Das Murren wird auch vonseiten der Kirchen lauter. So kritisierte zuletzt der katholische Bischof von Maiduguri, Oliver Dashe Doeme, die Regierung schaue nur hilflos zu und behaupte auch noch, die Lage im Griff zu haben. "Jeden Tag sterben Menschen. Und uns gelingt es noch nicht mal, ihnen wenigstens eine richtige Beerdigung zu geben."
(KNA - olllo-89-00145)
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