Weltverfolgungsindex für Christen ist nicht unumstritten
KNA 08.01.2014
Von Christoph Arens (KNA)
Bonn/Kelkheim (KNA) Die Farbmarkierungen auf der Weltkarte sind eindeutig: Vor allem in Nordafrika und im Mittleren Osten, aber auch im südlichen Asien drubbeln sich lila Fähnchen, die auf Christenverfolgung hinweisen. Zum wiederholten Mal hat die den Freikirchen nahestehende Hilfsorganisation "Open Doors" am Mittwoch einen "Weltverfolgungsindex" veröffentlicht, der eine Rangliste der 50 Länder mit der schlimmsten Christenverfolgung enthält.
"Erneut hat besonders in Afrika die Verfolgung der Christen durch Islamisten zugenommen", schlägt die Hilfsorganisation Alarm. Allerdings liegt das asiatische Nordkorea im zwölften Jahr in Folge an der Spitze der traurigen Rangliste der Staaten, in der Christen am härtesten unterdrückt werden. Mit Somalia setzt das Hilfswerk zum ersten Mal ein afrikanisches Land südlich der Sahara auf Rang zwei. Syrien machte einen der weitesten Sprünge nach vorn: Das Land kletterte von Platz 11 auf Platz 3. Es folgen der Irak, Afghanistan, Saudi-Arabien, die Malediven, Pakistan, der Iran und der Jemen. Die Hilfsorganisation schätzt die Zahl der verfolgten Christen auf mehr als 100 Millionen weltweit.
Das Vorgehen von "Open Doors" ist nicht unumstritten: Menschenrechtsexperten kritisieren unter anderem, dass Christen pauschal die Opfer- und vor allem Muslimen die Täterrolle zugeschrieben werde. Zudem würden ganz verschiedene Tatbestände wie rechtliche Diskriminierung, konkrete Benachteiligung im Alltag oder terroristische Gewalt pauschal unter dem Begriff Verfolgung zusammengefasst. Die Wirklichkeit sei vielfältiger: So gebe es in Jordanien (Rang 26) zwar eine familienrechtliche Benachteiligung von Christen durch das islamische Recht Scharia. Dennoch seien Christen etwa im Parlament vertreten und vom Königshaus hoch geschätzt.
Vor diesem Hintergrund schätzen Kritiker auch das Instrument eines Rankings und die Gesamtzahlen verfolgter Christen als problematisch ein. In vielen Ländern seien es nur kleine radikale Gruppen, die Christen bedrohen. Vielfach stecken hinter den religiös aufgeladenen Auseinandersetzungen soziale Konflikte.
Die beiden großen Kirchen hatten deshalb im vergangenen Sommer einen gemeinsamen Bericht zur Christenverfolgung vorgelegt, der auf konkrete Zahlen und Ranglisten verzichtete und stattdessen eher Strukturen von Benachteiligung, Verfolgung und Gewalt beschrieb. Zudem wurden auch Einschränkungen anderer religiöser Minderheiten thematisiert: Schließlich werden auch Christen von Christen und Muslime von Muslimen verfolgt und schikaniert.
Fest steht aber, dass der mediengerecht aufbereitete Weltverfolgungsindex von Open Doors dazu beigetragen hat, das Menschenrecht auf Religionsfreiheit wieder zu einem Thema zu machen. Über Jahre war die Situation von Christen weltweit kein Thema. Das hat sich - spätestens seit dem 11. September 2001, dem Irak-Krieg und den Spannungen zwischen der islamischen und der westlichen Welt - gründlich geändert: Auch im weithin säkularisierten Westen wuchs das Bewusstsein für die Bedeutung von Religion. Es geht um Identität, also um die Frage, wie Menschen in einer immer pluraleren Welt religiös und geistig ihren Platz finden. Auch die deutsche Öffentlichkeit nimmt die Situation von Christen weltweit sensibler zur Kenntnis. Vor allem die CDU-Abgeordneten Volker Kauder, Hermann Gröhe und Erika Steinbach weisen immer wieder auf die Situation der Christen in der islamischen Welt hin. Auch die Kirchen reagierten: 2002 führte die katholische Bischofskonferenz am 26. Dezember, dem Gedenktag des ersten christlichen Märtyrers Stephanus, einen jährlichen Gedenktag für verfolgte Christen ein. Am 28. Februar 2010 beging die Evangelische Kirche erstmals einen solchen Gebetstag.
Kritiker warnen gleichwohl vor neuem Lagerdenken im Sinn von Samuel Huntington: In dessen 1993 veröffentlichtem Buch vom "Kampf der Kulturen" zeichnete er einen neuen Großkonflikt: An die Stelle des Gegensatzes von kommunistischer und kapitalistischer Welt tritt darin die Konkurrenz verschiedener Kulturkreise - und eine der schärfsten Bruchlinien liegt zwischen islamischer und westlich-christlicher Kultur.
(KNA - oklks-89-00091)
Auf unserer Hauptseite finden Sie weitere Informationen zu den Themen interreligiöser Dialog und christlich islamischer Dialog.