Nach den Anschlägen von Paris sind NRW-Behörden alarmiert
KNA 16.11.2015
"Salafistisches Grundrauschen" erhöht
Nach den Anschlägen von Paris sind NRW-Behörden alarmiert
Von Johannes Nitschmann (KNA)
Düsseldorf (KNA) Nach den Terroranschlägen in Paris haben Nordrhein-Westfalens Sicherheitsbe-hörden die gewaltbereiten Salafisten verstärkt ins Visier genommen. "Wir stellen fest, dass das Grundrauschen in der salafistischen Szene nach diesem Anschlag wieder zugenommen hat", sagte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) am Montag in Düsseldorf. Verdeckte Maßnahmen gegen diesen Personenkreis seien gemeinsam mit anderen Bundesländern noch einmal erhöht worden. Besonders im Internet sei nach den Terrorakten eine verstärkte Kommunikation unter radikalen Islamisten erkennbar.
Von den über 3.000 registrierten Salafisten an Rhein und Ruhr seien schätzungsweise 500 bereit, "ihre krude Ideologie mit Mitteln der Gewalt durchzusetzen", erklärte Jäger. Die Zahl der gewaltbereiten Salafisten sei in den letzten Monaten um etwa ein Drittel gestiegen. Im Juni waren die Behörden noch von landesweit 320 gewaltbereiten Salafisten ausgegangen. Nach Feststellung des Verfassungsschutzes sind bisher aus NRW 200 Personen ausgereist, um in den so genannten "Heiligen Krieg" (Dschihad) zu ziehen und sich in den Bürgerkriegsgebieten Syriens und des Irak dem bewaffneten Kampf der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) anzuschließen.
"Rückkehrer aus dem angeblichen Dschihad stellen immer ein gewisses Risiko dar", sagte Jäger. Diese seien häufig traumatisiert und vielfach desillusioniert, weil sie vom IS "als Kanonenfutter miss-braucht" würden. Oftmals seien sie nach ihrer Rückkehr aus den Kriegsgebieten aber auch zusätz-lich radikalisiert. Hier setze die Auswertung und Analyse der Sicherheitsbehörden an. Der Innenmi-nister zeigte sich besorgt über die hoch professionelle Propaganda des IS im Internet. Diese falle bei dem einen oder anderen Jugendlichen leider auf fruchtbaren Boden.
Obwohl es keine konkreten Hinweise auf Anschlagspläne in Deutschland oder Verbindungen der Täter von Paris nach NRW gebe, müsse die Bedrohungslage durch den Salafismus "sehr ernst" ge-nommen werden, sagte Jäger. Führende Köpfe der radikalen Islamisten-Szene im bevölkerungs-reichsten Bundesland hätten sich von den Terrorakten in Frankreich distanziert, berichtete NRW-Verfassungsschutz-Chef Burkhard Freier.
Jäger bestätigte, dass am Wochenende im westfälischen Arnsberg ein Algerier in einem Asylbewer-berheim wegen möglicher "Mitwisserschaft oder Mittäterschaft" zunächst festgenommen worden sei. Der Beschuldigte soll bereits vor einer Woche Andeutungen gemacht haben, dass Paris in Angst und Schrecken versetzt werde. Er war deshalb von syrischen Mitbewohnern in der Flüchtlingsunterkunft nach den Anschlägen von Paris angezeigt worden. Bei den Behörden wird die Verdachtslage gegen den Algerier offenbar als eher schwach eingeschätzt und eine "Denunziation" durch die Anzeigenerstatter nicht ausgeschlossen. Bisher gebe es keinen einzigen Hinweis, dass sich in NRW unter den Asylsuchenden gewalttätige Salafisten befänden, erklärte der Verfassungsschutzchef.
Scharf kritisierte Jäger Tendenzen, die aktuelle Flüchtlingsdebatte mit den Terroranschlägen von Paris zu verbinden. Es sei "völlig unverantwortlich und unsäglich, dass verantwortliche Politiker den Bogen zu Flüchtlingen schlagen". Dies geschehe zu einem Zeitpunkt, an dem nicht einmal alle Täter feststünden und die Opfer identifiziert seien. Deshalb wolle er daran erinnern, dass die meisten nach Europa fliehenden Menschen versuchten, gerade dem Terror der Islamisten zu entkommen, unter-strich der Minister.
Die Sicherheitsbehörden seien in der aktuellen Lage hochsensibel und einsatzbereit, versicherte Jäger. "Wir sind wehrhaft." Zugleich warnte er aber davor, in Angst und Panik zu verfallen und damit "den Terroristen in die Hände zu spielen". Trotz der angespannten Sicherheitslage müsse das öffentliche Leben weiter uneingeschränkt stattfinden können. Deshalb werde er mit seiner Familie in den kommenden Wochen auch weiterhin Fußballspiele und Weihnachtsmärkte besuchen, kündigte Jäger an. "Wir dürfen die Sicherheit nicht über die Freiheit stellen."
(KNA - plllq-89-00133)
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