Experten: Religion spielt zentrale Rolle bei Integration
KNA 07.10.2015
Bonn (KNA) Der Faktor Religion spielt nach Ansicht des Luzerner Politikwissenschaftlers Antonius Liedhegener eine wichtige Rolle bei der Integration von Flüchtlingen in Deutschland. "Die eigene Religionszugehörigkeit, sei es die muslimische, christliche oder jesidische, ist in der neuen, unvertrauten Umwelt Deutschlands wohl das wichtigste Identitätsmerkmal, auf das sich viele der geflohenen Menschen stützen können, auf das sie aber auch von der Öffentlichkeit vielfach festgelegt werden", schreibt Liedhegener in der "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" (Donnerstag).
Die muslimische Gemeinschaft in Deutschland steht wegen der Zuwanderung von Flüchtlingen aus den Krisenstaaten des Nahen Ostens nach Ansicht der SPD-Politikerin Bilkay Öney vor einem tiefgreifenden Wandel. "Der Einfluss der arabischen Muslime wird stärker werden, vielleicht werden etwa die syrischen Muslime einen eigenen Verband gründen", schreibt die baden-württembergische Integrationsministerin ebenfalls in einem Gastbeitrag für "Christ & Welt".
"Möglicherweise wird es auch Verteilungskämpfe nicht nur zwischen autochthonen Deutschen und Migranten, sondern auch zwischen alteingesessenen Migrantinnen und Migranten und den jetzt kommenden Flüchtlingen geben, etwa auf dem Wohnungsmarkt oder im Niedriglohnsektor", so Öney weiter.
Die Integration der Flüchtlinge verlangt nach den Worten von Josef Schuster einen langen Atem. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland verglich die Situation in "Christ & Welt" mit einem Marathon. "Die Erstversorgung der Flüchtlinge ist auf dieser langen Strecke nur der Start. Und bis wir am Ziel angelangt, nämlich die Menschen integriert sind, werden wir wie Marathonläufer die Zähne zusammenbeißen und Zugeständnisse machen müssen."
Die jüdischen Gemeinden hätten wegen des Zuzugs jüdischer Zuwanderer vor allem aus der Sowjetunion in den vergangenen Jahren viele Erfahrungen in Sachen Integration sammeln können. Schuster erneuerte seinen Appell, die Zuwanderer aus muslimischen Ländern intensiv zu begleiten und ihnen die westlichen Werte zu vermitteln. Viele von ihnen seien "in einer oft judenfeindlichen, speziell israelfeindlichen Umgebung aufgewachsen", so Schuster. "Antisemitismus ist in diesen Ländern leider tief verwurzelt."
Der Präsident des Zentralrats weiter: "Aus unserer Sicht gehören die Ablehnung jeglicher Form von Antisemitismus sowie die Sicherheit Israels als Teil der deutschen Staatsräson unbedingt zu diesen Werten." Auch Rassismus dürfe keinen Platz in der Gesellschaft haben. "Das haben auch in der deutschen Bevölkerung noch nicht alle begriffen. Nicht nur die Flüchtlinge haben viel zu lernen."
(KNA - plkkr-89-00144)
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