Türkische Gemeinde sieht Gauck-Aussage gelassen
KNA 27.04.2015
Berlin (KNA) Die Bezeichnung der Massaker an den Armeniern als Völkermord durch Bundespräsident Joachim Gauck wird nach Einschätzung der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD) dem deutsch-türkischen Verhältnis nur "vorübergehend" schaden. Deutschland und die Türkei hätten "sehr feste Beziehungen in vielen Fragen", betonte der TGD-Bundesvorsitzende Gökay Sofuoglu am Montag in Berlin. Zur Lösung der Kontroverse um die Bewertung der Gräueltaten des osmanischen Reichs an den Armeniern vor hundert Jahren schlug er eine von allen Seiten akzeptierte unabhängige Historikerkommission vor.
Die Türkei weist den Begriff Genozid vehement zurück. Das türkische Außenministerium hatte am Freitag erklärt, dass das türkische Volk Gaucks Erklärung vom Donnerstag bei einer Gedenkfeier im Berliner Dom "nicht vergessen und nicht vergeben" werde; sie missachte die türkische Gemeinde in Deutschland. Sofuoglu sagte, die Türken in Deutschland würden "die Entscheidung des Parlaments und die Aussagen von Gauck kritisch begleiten". Der Beschluss dürfe keine "Türkei- und türkenfeindliche Stimmung in Deutschland erzeugen".
Der Bundestag hatte sich am Freitag mit Anträgen der Koalitionsfraktion, der Grünen und der Linken, befasst, die ebenfalls mehr oder weniger ausdrücklich den Begriff Völkermord verwenden, um die Ermordung und Vertreibung von 1,5 Millionen christlichen Armeniern und anderen Volksgruppen zu bezeichnen. Dabei hatten sich Bundestagspräsident Norbert Lammert sowie Redner aller Fraktionen ausdrücklich zum dem völkerrechtlich definierten Begriff bekannt.
Nach der Befassung durch die zuständigen Ausschüsse könnte das Parlament die Vorlagen noch vor der Sommerpause endgültig verabschieden. Angesichts des langen Tauziehens von Union und SPD im Vorfeld sowie des klaren Bekenntnisses aller Fraktionen ist nicht mit wesentlichen Änderungen zu rechnen.
(KNA - pkomr-89-00131)
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