Bei der Wahl in Nigeria bahnt sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen an
KNA 26.03.2015
Von Katrin Gänsler (KNA)
Bonn/Abuja (KNA) Nigeria fiebert der Präsidentschaftswahl am kommenden Samstag entgegen. Erwartet wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Amtsinhaber Goodluck Jonathan (57) und Muhamm-adu Buhari (72), ehemaliger Militärherrscher und mehrmaliger Präsidentschaftskandidat der Opposition. Beherrschendes Thema bleibt die Terrorgruppe Boko Haram.
Wie alarmierend die Lage ist, unterstreichen Daten, die Human Rights Watch am Donnerstag veröffentlichte: Nach Augenzeugen- und Medienberichten kamen allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres mehr als 1.000 Menschen bei Angriffen der Terrormiliz ums Leben. "Jede Woche hören wir von neuen Gräueltaten von Boko Haram gegenüber Zivilisten", so Mausi Segun, Nigeria-Experte von Human Rights Watch. Priorität der Regierung müsse es sein, Zivilisten besser zu schützen.
Zu den jüngsten Taten der Terrorgruppe gehört eine Massenentführung im Bundesstaat Borno im Nordosten Nigerias. Am Dienstag wurde bekannt, dass in Damasak 500 Menschen verschleppt worden sein sollen. Nach anfänglichem Leugnen bestätigte die Regierung in Abuja die Geiselnahme. Allerdings sei, so ein Regierungsvertreter, die Zahl der Opfer niedriger als von Augenzeugen berichtet.
Generell ist es schwer bis unmöglich, verlässliche Daten aus dem Norden des afrikanischen Staates zu erhalten. Regierung, Opposition und Zivilgesellschaft legen Zahlen gerne zu ihren Gunsten aus. Möglichkeiten zur Überprüfung gibt es so gut wie nie.
Eine neue Entführung wenige Tage vor der Wahl kann sich die Regierung eigentlich nicht leisten. In den vergangenen Wochen betonte sie stets, Boko Haram sei auf dem Rückzug. Die nigerianische Armee - unterstützt durch Soldaten aus den Nachbarländern Tschad und Niger - erobere mehr und mehr Städte zurück, die Boko Haram im vergangenen Jahr eingenommen hatte. Doch trotz der angeblich starken Militärpräsenz bleiben neue Anschläge nicht aus.
Dabei sollte Boko Haram längst der Vergangenheit angehören. Das sagte die Regierung zu, als sie die Präsidentschaftswahlen vom 14. Februar auf den 28. März verschob. Im Land selbst sorgte das anfangs für Proteste. Immer wieder versprach Präsident Jonathan auch, die seit April 2014 verschleppten Schülerinnen von Chibok im Bundesstaat Borno würden bald befreit.
Beobachter in Nigeria spekulierten wiederholt, die Mädchen könnten kurz vor den Wahlen freigelassen werden. Ihre Begründung: Der Präsident dürfte sich so eine Freilassung auf seine Fahnen schreiben. Nigerianischen Medienberichten zufolge wird vermutet, dass sich die jungen Geiseln in der Stadt Gwoza aufhalten. Laut "The Punch" vom Donnerstag kündigte Jonathan an, Gwoza bis "spätestens Freitag befreien" zu wollen.
Im Ansehen dürften er und seine Regierung allerdings kaum noch in letzter Minute steigen. Die Unzufriedenheit ist groß. Laut einer jüngsten Veröffentlichung des Meinungsforschungsinstituts Afrobarometer vom Montag waren 68 Prozent der befragten Nigerianer überhaupt nicht zufrieden mit der Demokratie im Land. Sehr groß ist die Unzufriedenheit im Norden. Dort ist Boko Haram besonders stark und die Infrastruktur des Staates besonders schwach.
Der Norden ist die Heimat von Jonathans Herausforderer Buhari. Dort dürfte der ehemalige Militärherrscher von 1983 bis 1985 wie auch bei der Wahl 2011 die Mehrheit der Stimmen holen. In diesem Jahr könnte er außerdem im Südwesten Unterstützer finden. Auch in der Wirtschaftsmetropole Lagos mit 18 Millionen Einwohnern wird damit gerechnet, dass sich viele von Jonathan abwenden. Der amtierende Präsident soll hingegen im Südosten, vor allem in seiner Heimat im Nigerdelta, gute Erfolgsaussichten haben.
Doch egal wer gewinnt: Gewalt und Proteste gelten als wahrscheinlich. So schätzt auch Nnamdi Obasi, Nigeria-Experte der Denkfabrik "International Crisis Group" die Entwicklung ein. Beide Spitzenkandidaten haben am Donnerstag ein Friedensabkommen unterzeichnet und zugesichert, das Ergebnis anzuerkennen. Ob es hält, steht dahin.
(KNA - pknmq-89-00131)
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