Islamwissenschaftler: Terroristen sind "Pseudo-Märtyrer"
KNA 24.11.2015
Frankfurt (KNA) Der Islamwissenschaftler Erdogan Karakaya betrachtet die Attentäter von Paris als "Pseudo-Märtyrer". Nach dem Koran seien diejenigen als Märtyrer zu verehren, die ihr Leben "dem Erhalt des gottgegebenen Lebens in Würde gewidmet haben", schreibt er in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Dienstag). Insofern sei es "eine Farce", sich "nicht der Prüfung des diesseitigen Lebens zu unterziehen und unschuldigen Menschen das gottgeliehene Leben zu entziehen".
Der Koran und die Gelehrtentraditionen des Islam würden "heute leider viel zu selten dafür verwendet, ethische Leitgedanken für jede Zeit immer wieder und immer wieder aufs Neue fruchtbar zu machen", so Karakaya weiter. Auch die Bedeutungsvielfalt des Märtyrertums werde zu wenig beachtet. Im Gegenteil werde die Tradition "für simple Antworten missbraucht, die als starre Konstrukte die Unsicherheiten und die Vieldeutigkeit des Lebens beseitigen sollen."
Die Ursache für diese Verschiebung sieht der Frankfurter Wissenschaftler in einem Traditionsbruch, den der Schriftsteller Navid Kermani in seiner Friedenspreisrede im Oktober formuliert hatte. "Vielleicht ist das Problem des Islam weniger die Tradition als vielmehr der fast schon vollständige Bruch mit dieser Tradition, der Verlust des kulturellen Gedächtnisses, seine zivilisatorische Amnesie", so Kermanis Aussage. Mit diesem Bruch müssten sich die islamische Theologie und die muslimische Gemeinschaft in Deutschland in Zukunft auseinandersetzen, forderte Karakaya.
(KNA - pllmo-89-00012)
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