Religion ist gefährlich Religiös motivierte Gewalt ist nicht nur ein Problem des Islam
KNA 20.01.2015
Von Christoph Arens (KNA)
Bonn (KNA) Nicht nur der Islam kennt ein Gewalt-Problem: Schon in den 1990er Jahren hat der Ägyptologe Jan Assmann die umstrittene These aufgestellt, der Glaube an den einen Gott habe Unterscheidungen wie Freund und Feind oder wahr und falsch verstärkt - Denkmuster, die dann zu Gewalt gegen andere Religionen führten. Auch Judentum und Christentum stehen damit auf der Anklagebank.
Belege finden sich in Bibel und der Kriminalgeschichte des Christentums in Hülle und Fülle. Zu besichtigen ist eine Blutspur von Intoleranz, Grausamkeit und Gewalt - von der Zwangsmissionierung der Sachsen bis zu Ketzerverfolgung, Kreuzzügen, Hexenverbrennung und Religionskriegen.
Allerdings verweisen Theologen wie der Münsteraner Kirchenhistoriker Arnold Angenendt und der Religionsphilosoph Hans Maier darauf, dass sich Juden- und Christentum immer wieder selbst in Frage gestellt und damit die Maßstäbe geliefert hätten, um die zu Recht angeprangerten "Todsünden des Christentums" zu verurteilen. Im mühsamen Kampf mit sich selbst - und gezähmt von Renaissance, Aufklärung und Moderne - hätten sich die Kirchen zu religiöser Toleranz durchgerungen.
"Toleranz und Gewalt" hat Angenendt sein 2007 erschienenes Standardwerk über das "Christentum zwischen Bibel und Schwert" überschrieben. Der Kritik Assmanns hält der Kirchenhistoriker entgegen, dass der Monotheismus auch zu einer "Vergeistigung" geführt habe, die "erst das geschaffen hat, was wir heute Gewissen nennen".
Laut Maier war es für die frühen Kirchenväter selbstverständlich, dass die Botschaft Jesu nur in Freiheit angenommen werden kann. "Glauben kann der Mensch nur freiwillig", zitiert auch Angenendt den heiligen Augustinus. Zudem habe sich das frühe Christentum durch Pazifismus ausgezeichnet. Erst mit dem Erfolg der neuen Religion wandte sich die politische Oberschicht der Kirche zu.
Die Zusammenarbeit von Thron und Altar wurde fortan zum Problem: Schon seit der Antike bestrafte der Staat diejenigen mit dem Tod, die vom Glauben abfielen. Dadurch habe man den Gotteszorn besänftigen und Schaden von der Gesellschaft abhalten wollen, so Angenendt. Das Christentum habe dies anfangs noch eindämmen können - mit der Berufung auf die Empfehlung Jesu, das Unkraut mit dem Weizen groß werden zu lassen. Doch der Staat der frühen Neuzeit habe die Inquisition selbst betrieben. Nach der Jahrtausendwende nahmen die Ketzerverfolgungen zu.
Zu einem Zusammenspiel von kirchlicher Inquisition und weltlicher Justiz kam es auch bei den He-xenprozessen: Während sich verschiedene Päpste und Bischöfe gegen Gewaltexzesse aussprachen, waren es häufig die weltlichen Eliten, die die Verfolgung verschärften. "Die Römische Inquisition exekutierte weniger Häretiker als viele Städte der Niederlande, wobei allein etwa Amsterdam von 1534 bis 1554 mehr Häretiker zum Tode verurteilt hat, denn jede andere Stadt der Christenheit", schreibt Angenendt.
Seit dem Mittelalter konzentrierte sich der Kampf nicht mehr nur auf die Häretiker im Innern, sondern auch auf vermeintliche Feinde außerhalb. Der Missionsauftrag des Evangeliums wurde jetzt als Aufforderung interpretiert, die Heiden notfalls mit Gewalt zum Heil zu zwingen. Muslime und Juden wurden Opfer der Kreuzzüge.
Der Münsteraner Historiker Gerd Althoff schreibt den mittelalterlichen Päpsten eine entscheidende Rolle für die religiös motivierte Gewalt im Christentum zu. "Für das Töten im Dienste und im Auftrag der Kirche stellten die Päpste Belohnung in Aussicht, die die Aufnahme in den Himmel ermöglichte", sagt er.
Die Reformatoren waren mit ihrem religiösen Wahrheitsanspruch und der Legitimität von Gewalt keineswegs "liberaler" als die Katholiken. Erst im Zuge der Religionskriege - und des Westfälischen Friedens von 1648 - setzte sich die Erkenntnis durch, dass Frieden nur unter Verzicht auf die gewaltsame Durchsetzung des eigenen Glaubens möglich war.
Allerdings kennt auch die Neuzeit viele Beispiele für die Rechtfertigung der Gewalt durch Religion. Das zeigt nicht nur die Segnung von Waffen und die Aufschrift "Gott mit uns" auf den Koppelschlössern deutscher Soldaten im Zweiten Weltkrieg.
(KNA - pkllt-89-00109)
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