Armenische Kirche erklärt alle Völkermordopfer zu Märtyrern
KNA 04.02.2015
Von Oliver Hinz (KNA)
Eriwan (KNA) Es wird eine Rekord-Heiligsprechung: Alle rund eine Million Opfer des Völkermords an den Armeniern werden am 23. April von der armenisch-apostolischen Kirche als Märtyrer für ihren Glauben und das Vaterland anerkannt. Weder die katholische noch die orthodoxe Kirche hat je so eine große Zahl von Menschen kollektiv heiliggesprochen.
Anlass der Heiligsprechung ist der 100. Jahrestag des Beginns des Massenmordes an den Armeniern im Osmanischen Reich. Am 24. April 1915 hatten Einheiten der Geheimpolizei in Istanbul mehr als 200 armenische Intellektuelle verhaftet und nach Anatolien deportiert, wo die meisten getötet wurden. Insgesamt wird die Zahl der Todesopfer zwischen 1915 und 1917 auf 300.000 bis 1,5 Millionen geschätzt. Die großen Unterschiede bei den Zahlen hängen auch mit ungenauen Bevölkerungsstatistiken zusammen. Die Kirche nennt selbst keine Zahl, wie viele Menschen heiliggesprochen werden.
Für die armenisch-apostolische Kirche ist die Feier auch aus einem anderen Grund bedeutsam: Seit rund 400 Jahren hat sie keine Person mehr für heilig erklärt. Das Verfahren und die Zeremonie mussten deshalb erst wieder neu festgelegt werden. Bei dem dreistündigen Gottesdienst in der Hauptkathedrale der armenisch-apostolischen Kirche in Etschmiadsin rund 20 Kilometer westlich der Hauptstadt Eriwan wird gleich zweimal Bezug auf den 100. Jahrestag genommen, wie Bischof Bagrat Galstyan ankündigte. Die Heiligsprechungsmesse soll um 19.15 Uhr enden und so an das Jahr 1915 erinnern. Zum Abschluss der Zeremonie würden außerdem genau 100 Mal die Glocken der Kathed-rale geläutet, ebenso in weltweit allen armenisch-apostolischen Kirchen, so der Bischof.
Bisher feierte die altorientalische Kirche jedes Jahr am 24. April eine Seelenmesse für die Völker-mordopfer. Am selben Tag besuchte das Kirchenoberhaupt Katholikos-Patriarch Karekin II. regelmäßig gemeinsam mit den höchsten Repräsentanten des Staates das "Schwalbenfestung" genannte Genozidmahnmal auf einem Hügel in Eriwan.
Zu der Heiligsprechung hat die armenisch-apostolische Kirche neben den Oberhäuptern der orthodoxen Nationalkirchen auch Papst Franziskus eingeladen. Eine Antwort aus dem Vatikan stehe noch aus, heißt es. Franziskus wird am 12. April im Petersdom eine Messe im armenischen Ritus feiern.
Laut Medienberichten will er dabei an das Leid der christlichen Armenier im Osmanischen Reich, dem Vorgänger der heutigen türkischen Republik, während des Ersten Weltkriegs erinnern. Im Juni 2013 hatte Franziskus die Massaker in einer privaten Äußerung als den "ersten Genozid des 20. Jahrhunderts" bezeichnet. Die Türkei hatte dagegen offiziell Protest eingelegt.
Im April 2014 hatte der damalige Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan als erster Regierungschef in der türkischen Geschichte offiziell der Massenmorde an den armenischen und syrisch-orthodoxen Christen im Ersten Weltkrieg gedacht. Die Erinnerung an die Schmerzen von damals sei eine "menschliche Pflicht", sagte er. Eine Anerkennung des Völkermords oder eine formelle Entschuldigung stellte die Erklärung allerdings nicht dar. Ende Januar erneuerte Erdogan jedoch im türkischen Staatsfernsehen TRT den Vorschlag, eine Historiker-Kommission einzusetzen und deren Urteil zum Völkermord anzunehmen.
Katholikos-Patriarch Karekin II. betonte in einer im Januar veröffentlichten Enzyklika, das Völker-mord-Gedenkjahr solle im Zeichen des kraftvollen Rufs nach Wahrheit und Gerechtigkeit begangen werden, der nicht zum Schweigen zu bringen sei. Während des "Überlebenskampfes auf Leben und Tod gegen die türkischen Invasoren" sei es schwierig gewesen, an eine Zukunft des armenischen Volkes zu glauben. Doch "durch die Gnade Gottes ist unser Volk vom Tod auferstanden". Aus Ruinen hätten die Armenier ein "Land der Hoffnung, der Wissenschaft, der Bildung und Kultur aufgebaut".
Etwa 90 Prozent der drei Millionen Bürger des Landes gehören der armenisch-apostolischen Kirche an. Sie wurde der Überlieferung nach im Jahr 301 vom armenischen König Trdat III. zur ersten christlichen Staatskirche erhoben und ist weder mit Rom noch mit den orthodoxen Kirchen verbunden. Bis zu fünf Millionen Gläubige leben heute im Ausland.
(KNA - pkmko-89-00076)
Aramäer in der Türkei erhalten alten Dorfnamen zurück
Istanbul (KNA) Aramäische Christen der Türkei erhalten den alten christlichen Namen eines Dorfes in Südostanatolien zurück. Der Weltrat der Aramäer begrüßte die Entscheidung der Behörden am späten Dienstagabend als "kleinen Sieg im Kampf um die Anerkennung der aramäischen Identität in und durch die Türkei". Das Landratsamt von Midyat hatte entschieden, dem Dorf Alagöz wieder seinen alten aramäischen Namen Bethkustan zu geben. Bethkustan liegt nahe der syrischen Grenze in der Region Tur Abdin, der historischen Heimat der Aramäer.
Im Tur Abdin liegen wichtige Klöster der Aramäer, die bis heute die Sprache Jesu sprechen. Nach Vertreibung und Abwanderung in den vergangenen Jahrzehnten ist die Zahl der Aramäer in der Region auf rund 3.000 Menschen gesunken. Mehrere zehntausend Aramäer leben in Istanbul und im europäischen Exil, besonders in Deutschland, Schweden und der Schweiz. In den vergangenen Jahren hatte eine zaghafte Rückkehr-Bewegung begonnen, die jedoch vor allem durch Landstreitigkeiten behindert wird.
Viele aramäische Ortsnamen waren in den Jahrzehnten nach den Massakern von 1915 abgeschafft und durch türkische ersetzt worden. Aramäer waren damals zusammen mit den Armeniern vertrieben oder getötet worden. Der Weltrat der Aramäer betonte auf Facebook, die Umbenennungen von Orts- und Familiennamen hätten das Ziel gehabt, die alteingesessene Präsenz der Aramäer auszuradieren "und das aramäische Volk sowie seine Geschichte, seine Identität und sein Land zu türkifizieren".
(KNA - pkmko-89-00017)
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