Nigerianischer Bischof Kukah sieht Boko Haram vor der Niederlage
KNA 16.03.2015
Von Christian Wölfel (KNA)
Würzburg (KNA) Der katholische Bischof von Sokoto in Nigeria, Matthew Hassan Kukah, sieht in der Allianz der Terrororganisation Boko Haram mit dem "Islamischen Staat" (IS) das "letzte Aufbäumen eines sterbenden Pferdes". Durch den Einsatz der Armeen der Nachbarländer seien die Islamisten in seinem Land zurückgedrängt worden, sagte Kukah am Samstag am Rande des Kongresses "Treffpunkt Weltkirche" vom internationalen katholischen Hilfswerk "Kirche in Not" in Würzburg. Im Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sprach der Bischof auch über die anstehenden Wahlen in seinem Land am 28. März.
KNA: Bischof Kukah, wie schätzen Sie die neue Allianz zwischen der Terrorganisation Boko Haram und der des "Islamischen Staates" ein?
Kukah: Die Allianz ist nur Propaganda. Denn die Führer von Boko Haram sind meiner Meinung nach überhaupt nicht in der Lage, mit dem IS zu kommunizieren. Sie sprechen ein furchtbares Arabisch und selbst die lokale Sprache sehr schlecht. Ich glaube, es ist das letzte Aufbäumen eines sterbenden Pferdes. Hätte Boko Haram die Allianz vor zwei Jahren verkündet, wäre das sehr besorgniserre-gend gewesen. Aber nun hat die Organisation 90 Prozent ihres Territoriums verloren. Und ein wichtiger Nachschubweg könnte auch bald abgeschnitten sein.
KNA: Aber greift Boko Haram mittlerweile nicht auch auf Nachbarstaaten wie Niger und Tschad über?
Kukah: Natürlich gibt es kulturelle Verbindungen in der Gegend dort. Die Grenzen sind letztendlich von den Kolonialherren gezogen worden. Teilweise wird dort die selbe Sprache gesprochen. Aber auch die Nachbarstaaten bekämpfen mittlerweile Boko Haram. Die Erfolge der nigerianischen Armee seit zwei Monaten sind zu 75 Prozent ein Resultat dieses Eingreifens der benachbarten Länder. Es kommt zwar etwas spät, aber es ist effektiv, um Boko Haram endgültig zu besiegen. Wenn Niger dem Führer von Boko Haram, Abubakar Shekau, zuruft: 'Wir wissen, wo Du bist, komm raus oder wir holen dich', ist das ein phänomenaler Wandel.
KNA: Am 28. März sind Präsidentenwahlen in Nigeria. Es tritt der moderate Moslem und ehemalige Militärdiktator Muhammadu Buhari gegen den amtierenden Präsidenten Goodluck Jonathan an. Welche Erwartungen haben Sie?
Kukah: Immerhin haben wir das erste Mal in unserer Geschichte mit den kreditkartengroßen Wahlkarten samt Chip die technischen Möglichkeiten, um sicherzustellen, dass die Wahlen frei und fair sind. Herausforderer Buhari ist nicht moderat, und er tritt nun zum vierten Mal an. Sollte er es nun nicht schaffen, fehlt den Menschen im überwiegend muslimischen Nordnigeria ein Politiker, der Stimmen im ganzen Land holen kann. Sie sind dann gewissermaßen für lange Zeit in der politischen Wildnis. Umgekehrt könnte bei einem Sieg von Buhari der Rest der Bevölkerung frustriert sein.
KNA: Das heißt, Sie befürchten Konflikte?
Kukah: Es geht daher nicht darum, wer besser regieren kann oder wer besser die Korruption bekämpfen und die Probleme bei der Infrastruktur lösen kann. Entscheidend ist, wie geht man mit den Reaktionen der Menschen auf das Ergebnis um? Wie gut sind die Sicherheitskräfte vorbereitet?
KNA: Wie geht es nach den Wahlen weiter im Kampf gegen Korruption?
Kukah: Wir sollten auf diese Frage nicht zu viel Energie verwenden. Wir haben nicht die Ressourcen, nicht die Ausstattung dafür, auch nicht die richtigen Institutionen. Das Problem in Nigeria ist, dass wir einfach zu viel zum Stehlen haben. Selbst wenn etwas gestohlen wird, ist noch genüg übrig. Die Justiz ist berüchtigt für ihre Ineffizienz und unglaublich korrupt. Was können wir also tun? Von der Bischofskonferenz haben wir ein Gebet herausgegeben gegen Korruption. Wir müssen den Prozess unterstützen, ja. Aber wir sollten keine unrealistischen Vorstellungen haben. Die normalen Menschen sind so arm, da kann man nicht erwarten, dass sie die Kraft haben, Korruption zu bekämpfen.
(KNA - pknlo-89-00016)
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