"Die Ruhe vor dem Sturm" Missio-Präsident Klaus Krämer zur Lage der Kirche in Tansania
KNA 30.01.2015
Von Claudia Zeisel (KNA)
Aachen (KNA) Die Kirche auf der zu Tansania gehörenden Insel Sansibar erlebt unruhige Zeiten. Islamistische Kräfte versuchen dort die Macht an sich zu reißen und schrecken dabei auch nicht vor Gewalt gegen zurück. Missio-Präsident Klaus Krämer war in der vergangenen Woche zu Besuch in dem ostafrikanischen Land - eine Woche vor der Visite von Bundespräsident Joachim Gauck. Mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sprach Krämer über die Lage in der Kirche und die Hoffnung auf eine friedliche Lösung des Konflikts.
KNA: Herr Krämer, wie haben Sie angesichts der zunehmenden Gewalt der Islamisten die Atmosphäre in der Kirche auf Sansibar erlebt?
Krämer: Die aktuellen Entwicklungen bereiten den Menschen dort große Sorgen. Die Situation hat sich in der letzten Zeit noch einmal deutlich verschärft. Der Höhepunkt in Sansibar waren sicherlich die Attentate in den Jahren 2012 und 2013, bei denen drei Priester Opfer wurden. Im Moment ist die Lage relativ ruhig, aber es gibt doch die Befürchtung, dass es die Ruhe vor dem Sturm sein könnte. Weil man einfach spürt, dass extremistische Gruppen am Werk sind und die politischen Ereignisse, die noch bevorstehen, weiteren Anlass zu einer Eskalation geben könnten.
KNA: Sie spielen auf das im April anstehende Verfassungs-Referendum an, bei dem es unter anderem um mehr Autonomie für Sansibar geht. Wie stehen die Bewohner der Insel zu dem Referendum?
Krämer: Die Verfassungsreform, die zur Abstimmung gegeben wird, bleibt weit hinter den Erwartungen der Menschen in Sansibar zurück, die sich eine größere Autonomie erhofft haben. Doch das möchte die Zentralregierung nicht zugestehen. Einmal gibt es die Gefahr, dass es eine Art passiven Widerstand geben wird, also etwa eine sehr geringe Wahlbeteiligung und dass das Verfassungsreferendum negativ ausgeht. Das könnte wiederum den separatistischen Strömungen, die auch auf dem Festland spürbar sind, Rückenwind geben.
KNA: Wie beurteilen gemäßigte Muslime die Lage?
Krämer: Die muslimischen Vertreter sehen natürlich auch mit großer Sorge den zunehmenden Ein-fluss extremistischer Gruppen, die den Frieden in der Bevölkerung, auch zwischen den Religionen, empfindlich stören. Die gemäßigten Kräfte sind in einem Dialog mit den Vertretern der verschiedenen Religionen. Wir selber haben an einem Treffen teilgenommen, Bundespräsident Gauck wird in der nächsten Woche ähnliches tun.
KNA: Welche Signale erwarten Sie von dem Besuch des Bundespräsidenten?
Krämer: Es ist ein wichtiges politisches Signal, dass die Welt auch auf Tansania und Sansibar schaut. Ich denke auch sein Gespräch mit dem Friedenskomitee wird den gemäßigten Kräften, die den Dialog suchen und den Frieden sichern wollen, den Rücken stärken. Er wird auch die katholi-sche Kathedrale in Sansibar besuchen, und damit einen der Orte, von dem die Evangelisierung des gesamten tansanischen Festlandes ausging. Sie hatte von Anfang an einen starken menschenrechtlichen Akzent, weil sie sich Mitte des 19. Jahrhunderts gegen die Sklaverei richtete. Ein Besuch dort stärkt der Kirche den Rücken bei ihrem Engagement in der Gesellschaft.
KNA: Was tut missio, um die Kirche zu unterstützen?
Krämer: Wir unterstützen natürlich die Arbeit in Tansania und auf Sansibar schon seit Langem. Die Kirche ist etwa im Bildungsbereich präsent, hat wichtige Schulen, die auch von allen Konfessionen besucht werden. Sie betreibt Kindergärten, Gesundheitszentren und begleitet Menschen auf dem Land, wo Angehörige unterschiedlicher Religionen eng zusammenleben.
KNA: Reicht das angesichts der aktuellen Konflikte aus?
Krämer: Wir wollen jetzt vor allem die lokalen interreligiösen Friedenskomitees fördern, die an die Basis gerichtet sind. Mit Veranstaltungen zur Bewusstseinsbildung sollen die Menschen über die Religionen und die Ursachen der Konflikte besser informiert werden. Dadurch sollen sie befähigt werden, den Versuchungen einer extremistischen Propaganda zu widerstehen.
KNA: Im Oktober stehen bereits die nächsten Abstimmungen an: Präsidentschafts- und Parlamentswahlen. Befürchten Sie da eine weitre Zuspitzung des Konflikts?
Krämer: Bei Wahlkämpfen kann es natürlich immer zu Demonstrationen und Ausschreitungen kommen. Es gibt auch Stimmen, die sich dafür aussprechen, das Verfassungs-Referendum erst nach der Präsidentschaftswahl anzusetzen, um die Lage etwas zu deeskalieren. Aber das wird vermutlich nicht so kommen, der Zeitplan steht.
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