Christliche Verbände: Türkei soll Völkermord aufarbeiten
KNA 23.04.2015
Bonn (KNA) Christliche Verbände und Hilfswerke haben die Türkei aufgefordert, den Völkermord an den Armeniern vor 100 Jahren aufzuarbeiten. Der Zentralrat Orientalischer Christen in Deutschland (ZOCD) und die Junge Union Nordrhein-Westfalen (JU NRW) erklärten am Donnerstag in Düsseldorf, die türkische Regierung müsse sich "zu ihrer Historie bekennen und den Genozid einräumen".
Der Völkermord an den christlichen Minderheiten der Armenier, Assyrer, Aramäer, Chaldäer und Pontosgriechen sei "im Bestreben der damaligen jungtürkischen Regierung, einen pantürkischen Großstaat zu realisieren" erfolgt, so ZOCD und JU. Dabei hätten die christlichen Minderheiten im Weg gestanden. Während des Ersten Weltkriegs wurden Millionen Christen aus dem Osmanischen Reich systematisch vertrieben und getötet. Insgesamt wird die Anzahl der getöteten Christen zwischen 300.000 und mehr als 1,5 Millionen beziffert.
Der "Zentralrat Orientalischer Christen in Deutschland" (ZOCD) wurde 2013 auf Initiative der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung gegründet. In dem Verein arbeiten Vertreter der syrisch-orthodoxen und der koptisch-orthodoxen Kirche, der Apostolischen Kirche des Ostens, der eritreisch-orthodoxen Tewahedo-Kirche sowie der mit der katholischen Kirche unierten chaldäischen Kirche zusammen. In Deutschland leben nach ZOCD-Angaben rund 200.000 orientalische Christen.
Als "ersten Genozid des 20. Jahrhunderts" bezeichnete das katholische Osteuropa-Hilfswerk Renovabis den Mord an den Armeniern. Die Erinnerung daran sei eine wichtige Aufgabe, erklärte Renovabis-Geschäftsführer Stefan Dartmann in Freising. "Unsere Brüder und Schwestern sollen wissen, dass wir Anteil nehmen an dem 'Metz Yeghern', dem 'großen Übel', das damals über Ihr Volk hereingebrochen ist", schreibt Dartmann. Eine Mitschuld treffe auch die damalige deutsche Staatsführung, die den Gräueltaten nicht entgegengetreten sei.
Während Historiker und auch Papst Franziskus vom "ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts" sprechen, räumt die Türkei bislang lediglich ein, dass es Massenvertreibungen und gewalttätige Auseinandersetzungen gegeben habe. In deren Folge seien Hunderttausende gestorben. Um die Bezeichnung "Völkermord" ist ein heftiger Streit entbrannt. Am Freitag wird international an den Beginn der Massaker erinnert.
Auch der katholische Rottenburg-Stuttgarter Bischof Gebhard Fürst rief die Türkei auf, die Ermordung der Armenier als Völkermord anzuerkennen. Dadurch könnte die türkische Politik heute ein Brücke bauen "für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Dienst des weltweit bedrohten Friedens und des wirksamen Schutzes religiöser und ethnischer Minderheiten", so Fürst.
Es bestehe ein breiter Konsens, den "Gewaltexzess an einer der ältesten kirchlichen und ethnischen Gemeinschaften der Christenheit" als Völkermord zu bewerten, betont der Bischof. "Er erhält seine Aktualität auch durch Gewaltexzesse an christlichen Minderheiten in anderen Regionen dieser Welt, ebenso durch die Verfolgung und Unterdrückung anderer ethnischer und religiöser Minderheiten."
(KNA – pkomn-89-00097)
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