In Syrien leben Christen in ständiger Angst vor IS-Terroristen
KNA 05..06.2015
Von Karin Leukefeld (KNA)
Homs (KNA) Schmal und blass steht George Khoury im Schatten des Hoteleingangs in Homs. An seinem weißen Kragen ist der jugendlich wirkende Mann als Geistlicher zu erkennen. Seit zehn Jahren betreut der Pater 55 christliche Familien in Tadmur. "Fünf Familien gehören zu unserer syrisch-katholischen Kirche", sagt er. Die anderen Familien leben zwar auf den Phosphat-Minen außerhalb der Stadt, werden aber von seiner Gemeinde mit betreut. Die Stadt Tadmur liegt tief in der syrischen Wüste, rund 200 Kilometer östlich von Homs. In direkter Nachbarschaft befindet sich die Oasenstadt Palmyra. Vier Kirchen gibt es in Tadmur, berichtet Pater George. Doch nur eine davon werde genutzt.
Vor zweieinhalb Jahren sei es in Tadmur "unruhig" geworden, erzählt der Geistliche. "Gruppen" seien aufgetaucht, die in ganz Syrien Probleme bereiteten. Die syrische Armee habe dafür gesorgt, "dass sich das Leben weitgehend wieder normalisieren konnte", doch durch ein Ausbleiben der Touristen, Wirtschaftssanktionen und die anhaltende Unsicherheit hätten immer mehr Menschen ihre Arbeit verloren. Die Gemeinde sei, wie fast alle Einwohner von Tadmur, auf Hilfsgüter angewiesen, die er regelmäßig aus Homs abgeholt habe.
Mitte Mai habe dann aber "die Krise in Palmyra" begonnen. Etwa 200 Kämpfer des selbst ernannten "Islamischen Staates im Irak und in der Levante" (IS) seien nach Tadmur eingedrungen, von der Armee zunächst jedoch wieder vertrieben worden. Am 21. Mai seien die Kämpfer dann zu Tausenden zurückgekehrt. "Ich sagte den Familien, sie sollten sich auf die Flucht vorbereiten", erzählt Pater George. "Wir bildeten einen Konvoi, dem sich auch muslimische Familien anschlossen, und flohen in Dörfer, die näher an Homs liegen." In Sadat, Haffar und Qaryatayn, wo ebenfalls große christliche Gemeinden leben, fanden die Christen aus Tadmur und Palmyra Zuflucht. Dass es auch dort nicht sicher ist, erfuhren sie erst nach ihrer Ankunft.
Als Pater George mit den Familien vor den anrückenden Kämpfern mit der schwarzen Fahne floh, bereitete sich sein Mitbruder Jacques Mourad im Kloster Deir Mar Elian bei Qaryatayn auf die Ankunft der Vertriebenen vor. Am Telefon berichtete er, dass im Kloster Matratzen und Decken, Nahrungsmittel und Medikamente für die Flüchtlinge aus Palmyra bereitstünden. Kurz darauf verschleppten drei vermummte Bewaffnete Pater Jacques und einen Mitarbeiter.
Syrische Kirchenführer, der UN-Sondervermittler Staffan De Mistura, vor allem aber auch islamische Autoritäten in Syrien verurteilten die Gewalttat. Mourad sei "ein Beispiel an humanitärer Hilfe ungeachtet jeder religiösen Anschauung", hieß es. Im Februar 2014 war es ihm und dem Mufti von Qaryatayn gelungen, zwischen bewaffneten Gruppen und der syrischen Armee einen Waffenstillstand auszuhandeln, so dass Qaryatayn von Zerstörungen verschont blieb.
In der Altstadt von Homs, wo die ältesten christlichen Kirchen stehen und fast zwei Jahre lang ein verbissener Stellungskrieg zwischen bewaffneten Gruppen und der syrischen Armee herrschte, war das nicht gelungen. Seit einem Jahr schweigen die Waffen, und jeden Sonntag organisieren Kirchen und Jugendgruppen öffentliche Veranstaltungen, um die aus Homs geflohenen Familien zur Rückkehr zu ermuntern.
Dieses Mal ist die Jugendkapelle der Gemeinde von der "Kirche der Jungfrau mit dem Gürtel" (Umm al-Zinar) nach dem Gottesdienst mit Pauken und Trompeten losmarschiert, um auf eine Kampagne aufmerksam zu machen. Kinder und Jugendliche haben Hauswände bunt bemalt, um damit ein Zeichen gegen Tod und Zerstörung zu setzen.
Auch der Gouverneur von Homs, Talal Barazi, ist gekommen. Er sei optimistisch, dass die Menschen zurückkehren würden, sagt er. Die Renovierung des Uhrturms im Stadtzentrum sei ein Zeichen dafür, "dass hier die Uhren nie wieder rückwärts laufen sollen". Ob es ihm keine Sorgen bereite, dass in der Wüstenstadt Tadmur die Uhren gerade radikal ins Mittelalter zurückgedreht würden? "IS ist der Feind der Menschheit, der Zivilisation; nicht nur hier in Syrien, sondern in der ganzen Welt", sagt Barazi. Um ihre Verbrechen zu stoppen, brauche es internationale Anstrengungen.
(KNA - pkqkn-89-00154)
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