Schulen und Polizei wollen Radikalisierung von Muslimen verhindern
KNA 19.11.2015
Wehret den Anfängen
Schulen und Polizei wollen Radikalisierung von Muslimen verhindern
Von Volker Hasenauer (KNA)
Mannheim (KNA) Salafisten versuchen überall in Deutschland, junge Menschen für ihre radikale Aus-legung des Islams zu gewinnen. Nach ihrer Vorstellung sind es sie allein, die die wahre, ursprüngliche Form der Religion vertreten. Alle anderen gelten als ungläubig. Die Versuchung, "Glaubensfein-de" dann auch gewaltsam zu bekämpfen, wird dann groß. Bundesweit zählt der Verfassungsschutz rund 7.000 Salafisten, Tendenz steigend. 420 von ihnen werden als potenziell gefährliche, militante Extremisten eingestuft.
Doch wie können Eltern, Lehrer oder Sozialarbeiter verhindern, dass junge Menschen zu Salafisten werden? Wie kann es gelingen, mit ihnen im Gespräch zu bleiben, bevor sie durch die Radikalisie-rung jeden Kontakt zur als feindlich empfundenen Gesellschaft, Schule und zum Freundeskreis ab-schneiden? Antworten versuchte am Donnerstag ein für die Region Rhein-Neckar organisierter Fort-bildungstag für Lehrer, Sozialarbeiter und Polizisten. Denn, so die Überzeugung der Veranstalter von Regierungspräsidium und Polizei, Prävention kann nur erfolgreich sein, wenn möglichst viele Menschen aus dem Umfeld für drohende
Radikalisierung sensibilisiert sind und eng geknüpfte Präventionsnetzwerke entstehen.
Markus Thomas vom Regierungspräsidium Karlsruhe betonte, Lehrer müssten geschult sein, frühzeitig Veränderungen bei Schülern zu erkennen, die auf eine Radikalisierung hindeuten. "Hinweise können beispielsweise sein, wenn sich aktive Schüler plötzlich zurückziehen oder sie ihren Lehrerinnen den Handschlag verweigern." Auch abfällige Äußerungen über Muslima, die kein Kopftuch tragen, seien ein Warnsignal.
Zuerst müssten Lehrer dann das Gespräch mit den Schülern suchen und mit der gesamten Klasse Fragen der Toleranz zwischen Religionen und Kulturen ansprechen. "Aber natürlich dürfen wir die Lehrer nicht alleine lassen." Bei Polizei und den Regierungspräsidien stünden Ansprechpartner bereit, die beraten oder konkret eingreifen könnten. Zahlreiche Initiativen und Projekte präsentieren ihre Angebote in Mannheim auf einem überquellenden Flyer- und Broschürentisch. Auch im Internet gibt es immer mehr Angebote, die den islamistischen Hassseiten etwas entgegensetzen wollen.
Dierk Marckwardt vom baden-württembergischen Landeskriminalamt sprach sich zugleich für eine weitere Vernetzung der Präventionsprogramme aus, etwa unter Einbeziehung der Landeszentrale für Politische Bildung. Inwiefern es einen bundesweiten Austausch oder ein gegenseitiges Lernen bei der Erarbeitung von Konzepten gibt, blieb offen. Kritiker mahnen, Deutschland fehle es an abgestimmten Konzepten.
Einig waren sich die Referenten im Ziel, den in Baden-Württemberg bislang nur als Modellversuch organisierten islamischen Religionsunterricht in den Schulen auszubauen. Auch die Landesregierung drängt darauf. Ein Zwischenschritt könnte der vor wenigen Wochen gegründete Beirat zur Weiter-entwicklung des Islamunterrichts sein, in dem muslimische Theologen und Verbandsvertreter zusammenarbeiten.
"Wir brauchen flächendeckend Islamunterricht", sagt Thomas Köhler, der an einer Heidelberger Be-rufsschule Ethik unterrichtet. "Meine Schüler sind vor allem Muslime, aber oft fühle ich mich mit ihren Fragen überfordert. Deshalb ist es wichtig, mehr über Islam und Wege der Radikalisierung zu erfahren. Dann kann man in der konkreten Situation besser reagieren."
Der Tübinger Islamwissenschaftler Hussein Hamdan ermunterte die Lehrer, unbefangen das Gespräch mit Muslimen zu suchen. "Fragen Sie nach, was ein Schüler meint, wenn er plötzlich vom Dschihad redet." Umgekehrt brauche es mehr Verständnis für Muslime, findet Hamdam. Die IS-Attentate mit Dutzenden Toten in Beirut nur wenige Tage vor den Pariser Anschlägen habe die deutsche Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen, kritisiert der im Libanon geborene Wissenschaftler.
Mit dem an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart angesiedelten Projekt "Muslime als Partner in Baden-Württemberg" will er künftig kommunale Einrichtungen mit muslimischen Verbänden in Kontakt bringen. Denn, so das Credo der Präventionsexperten: Der beste Weg, Extremismus zu bekämpfen, ist Integration.
(KNA - plllt-89-00116)
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