Islamwissenschaftler: Gewaltaspekte Mohammeds nicht ausblenden
KNA 27.05.2015
Bonn (KNA) Der Freiburger Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi hat die Muslime aufgefordert, Gewaltaspekte Mohammeds nicht auszublenden. Der Prophet könne als Verkünder einer Religion verstanden werden, was die Zeit von 610 bis 622 betreffe, sagte Ourghi im Interview des Bonner "General-Anzeigers" (Mittwoch). "Nach seiner Auswanderung von Mekka nach Medina haben wir es mit einem Staatsmann zu tun, der immer wieder Gewaltmaßnahmen gegen Andersgläubige, gegen Juden und Christen ergriffen hat."
Der Islam hinkt nach den Worten Ourghis derzeit einer modernen Renaissance und einer kritikfähigen Aufklärung hinterher. Der Kern der westlichen Aufklärung, die Freiheit des Individuums, werde seit Jahrhunderten von konservativen Gelehrten und politischen Despoten beschlagnahmt. Vom achten Jahrhundert bis heute habe es immer wieder Reformversuche des Islam gegeben, die von den Reformern aber oft mit dem Leben bezahlt worden seien.
Eine Reform im europäischen Kontext erfordere eine historisch-kritische Lektüre des Korans und der Tradition des Propheten, um etwa den Herrschaftsanspruch des Islam zu hinterfragen und seine ethisch-humanistische Kraft wiederzubeleben. Eine Neuerung könne gelingen, "wenn der Islam sich nicht mehr als militante Gemeinschaft versteht, die eine Herrschaft über die ganze Welt erstrebt". Ein Beharren auf dem universalen Wahrheitsanspruch des Islam bedeute Intoleranz gegenüber anderen Religionen oder Nichtgläubigen.
Ourghi verlangte, die Freiheit des Individuums als höchstes Gut auch im Islam zu verankern. Konstruktive Kritik an der Religion dürfe nicht mehr als Beleidigung aufgefasst werden, "damit die Muslime nicht mehr unbewusst in die Opferrolle geraten".
Kritisch äußerte sich der Wissenschaftler zu den muslimischen Dachverbänden in Deutschland. Sie würden wie die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) von staatlichen Stellen in den Herkunftsländern gesteuert. "Wir brauchen einen Rat der Muslime, wo Vertreter aller Couleur zugelassen sind, und das hat mit dem Muslimischen Forum Deutschland begonnen", so Ourghi.
Ländern wie Saudi-Arabien oder den Golfstaaten, wo der Islam Staatsreligion ist, warf der Islamwissenschaftler Doppelmoral vor: "Der 'grausame Islam' und die Scharia gelten nur für die arme Bevölkerung, die Herrschenden verhalten sich nicht islamisch." Der Wissenschaftler äußerte sich anlässlich der dritten phil.Cologne, zu deren Auftakt er an diesem Mittwoch spricht.
(KNA - pkpmr-89-00055)
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