Die Kanzlerin reist erneut zum Papst nach Rom
KNA 18.02.2015
Von Christoph Scholz (KNA)
Berlin (KNA) Es war wohl Sympathie auf den ersten Blick zwischen dem Papst und der protestantischen Regierungschefin Deutschlands. Am Samstag werden sich Franziskus und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bereits zum dritten Mal im Vatikan treffen: ein Privileg, zumal der Papst noch keine zwei Jahre im Amt ist. Der Bitte um eine Privataudienz folgte dem Vernehmen nach auch diesmal ungewöhnlich rasch die Einladung. Offensichtlich hat Merkel großes Interesse an der Weltsicht des Papstes aus Argentinien, und er scheint die Erfahrung der derzeit mächtigsten Politikerin des Alten Kontinents zu schätzen.
Franziskus gewährte ihr im Mai 2013 - entgegen diplomatischen Gepflogenheiten - kurz vor der Bun-destagswahl eine Audienz. Sie habe Franziskus als einen "vielseitig interessierten, sehr gut informierten Mann kennengelernt, als einen Geistlichen, der sehr den Menschen und ihren Sorgen zugewandt ist", sagte Merkel damals nach einem knapp einstündigen Gespräch. Damals stand Franziskus noch am Beginn seines Pontifikats.
Seine unprätentiöse, den Menschen zugewandte Art begeisterte sie. Wohin er innerkirchlich und in der internationalen Politik steuerte, war damals weniger deutlich als heute. Inzwischen sind die Terrormiliz "Islamischer Staat" und der Krieg in der Ukraine die beherrschenden Themen geworden.
Schwerpunkt der Unterredung soll diesmal die G7-Ratspräsidentschaft sein. Es gehe um Armutsbekämpfung, Klimaschutz und Gesundheit, erläuterte Merkel im Videopodcast. Da fügt es sich, dass Franziskus bis zum Sommer eine Enzyklika zum Thema Schöpfung veröffentlichen will. Dabei wird es dem Kirchenoberhaupt auch um eine gerechte Verteilung der Ressourcen gehen.
Ein weiteres Thema wird das Flüchtlingselend sein. Franziskus machte seine erste Reise zu den Bootsflüchtlingen auf Lampedusa. Seitdem wird er nicht müde, mehr Solidarität der EU anzumahnen. Merkel bekundete Verständnis für die Kritik an der europäischen Flüchtlingspolitik. Die Situation sei "sehr unbefriedigend". Bei dem Treffen im Vatikan wird sicher auch die unruhige Weltlage zur Sprache kommen.
Merkels Beharren auf einer politischen Lösung im Ukraine-Konflikt liegt ganz auf der Linie des Vatikan. Unvergessen ist die scharfe Kritik von Johannes Paul II. am Irak-Krieg unter George W. Bush. Franziskus liegt das EU-Modell ohnehin näher als der "American Way of Life". Schon in seinem ersten Rundschreiben geißelte er den enthemmten Kapitalismus.
Schließlich dürfte die Lage der bedrängten Christen im Nahen und Mittleren Osten, das Vorgehen gegen den IS und der Umgang mit dem Islam generell eine Rolle spielen. Die Achtung der Religionsfreiheit gehört zum Kernanliegen der CDU. Das gilt vor allem für Fraktionschef Volker Kauder, der beste Beziehungen zur päpstlichen Nuntiatur in Berlin pflegt. Mit Annette Schavan ist wiederum eine Merkel-Vertraute diplomatische Vertreterin Berlins beim Heiligen Stuhl.
Schavan begnügt sich in Rom nicht nur mit Repräsentanz. Am Freitagabend gibt es ein Treffen mit Abendessen mit hochrangigen Vertretern aus Kirche und Wissenschaft in der Botschaft. Und am Samstag ist nach der Papstaudienz der Kanzlerin ein Empfang in der Zentrale der Gemeinschaft von Sant'Egidio in Trastevere geplant. Merkel kennt den Gründer der katholischen Laiengemeinschaft, den italienischen Historiker Andrea Riccardi, persönlich. Sie nahm an dem Friedenstreffen 2011 in München teil. Die Gemeinschaft bemüht sich seit langem um den interreligiösen und den Friedensdialog.
Für sie als evangelische Christin sei der Glaube "in der Frage der eigenen Lebensführung eine wichtige Sache", bekannte Merkel. Dabei stimmte sie der Mahnung des Papstes zu, dass der Glaube nicht auf eine "Kulturangelegenheit" verkürzt werden dürfe. Es gehe nicht darum, so die Bundes-kanzlerin, "dass wir irgendeine kulturelle Schilderung geben, sondern Glauben betrifft ja jeden einzelnen Menschen". Die Herausforderung ist damit für sie nicht in erster Linie die Islamisierung des Abendlandes, sondern die Bekenntnismüdigkeit der Christen in Europa. Vielleicht ist auch das ein Thema bei der Begegnung in Rom.
Hinweis: Fotos finden Sie in der KNA-Bild-Datenbank auf www.kna-bild.de oder direkt mit folgendem Link: kna-bild.de/paket/150216-89-00179
(KNA - pkmlq-89-00165)
Auf unserer Hauptseite finden Sie weitere Informationen zu den Themen interreligiöser Dialog und christlich islamischer Dialog.