Der Kirchentag diskutiert über das Kirchenasyl
KNA 05.06.2015
Von Norbert Zonker (KNA)
Stuttgart (KNA) Ein Bundesinnenminister gleich welcher politischen Farbe darf zum Thema Kirchenasyl bei einem evangelischen Kirchentag nicht auf ein Heimspiel hoffen. Insofern ist es schon fast eine Meldung, dass Thomas de Maiziere (CDU) am Freitag von einem Publikum, das mehrheitlich - nimmt man die relativ wenigen spontanen Beifallsbekundungen als Maß - nicht seinen Positionen zustimmte, ruhig angehört wurde. Kein Vergleich zu den einst heißen Auseinandersetzungen bei früheren Treffen. Einspruch kam nur von einer kleinen Gruppe mit einem Transparent "Europas Grenzen töten" am Rand, aber ohne Störabsicht.
Man könnte aber auch den Schluss ziehen, dass der vor einigen Monaten aufgeflammte Streit um das Kirchenasyl mittlerweile weitgehend abgeflaut ist. Jedenfalls waren deutlich weniger Zuhörer in die "Alte Kelter" in Fellbach gekommen, als Platz gefunden hätten. Über die Hälfte der Papphocker war frei. Dabei war das Podium gut besetzt, und die Diskussion machte deutlich, warum es zu diesem Thema keine abschließende Lösung gibt.
De Maiziere, der auch Mitglied des Kirchentagspräsidiums ist, gab keineswegs den Hardliner. Der Staat habe in der Vergangenheit Kirchenasyle faktisch akzeptiert, aber natürlich nicht prinzipiell. Seine bereits mehrmals geäußerte Kritik richte sich vor allem gegen Kirchengemeinden, die letztlich auf dem Weg des Kirchenasyls ihre politische Kritik am geltenden EU-Recht - nach dem das Asylverfahren im Erstaufnahmeland eines Flüchtlings stattfindet - ausdrückten. "Es gibt Gemeinden, die fassen einen Vorratsbeschluss ohne konkreten Einzelfall", so der Minister.
Letzteren Vorwurf wies die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt, zurück. Eine Berliner Kirchengemeinde habe zwar den Beschluss gefasst, eine Wohnung nicht zu vermieten, sondern für Notfälle freizuhalten. Dies sei aber keineswegs politisch motiviert gewesen. Kirchenasyl sei auch kein Rechtsbruch, sondern "man gibt dem Recht eine Chance", so die frühere Kirchentagspräsidentin unter Hinweis auf die in der großen Mehrheit für die Betroffenen positiv ausgehenden Verfahren. Die Vorsitzende der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche", Dietlind Jochims, hob hervor, dass die vielen "Einzelfälle" in der Summe durchaus zeigten, dass am System etwas nicht stimme.
Der Göttinger Verfassungs- und Kirchenrechtler Hans Michael Heinig, ermahnte die Verfechter des Kirchenasyls, es sich nicht zu leicht zu machen. "Die Kirche ist hier nicht der weiße Ritter, und der Staat ist nicht der böse Bube", meinte er. Die Kirche würde sich nach seiner Einschätzung übernehmen, wenn sie für sich generell einen Anspruch als Korrekturinstanz bei fehlerhaften staatlichen Entscheidungen beanspruche. Im Übrigen gebe es auch unberechtigte Aufnahmen ins Kirchenasyl. Mancher Pfarrer, so Heinig, habe ihm hinterher gesagt, er würde in diesem konkreten Fall nicht wieder so handeln. Und die Beratungsqualität für Kirchengemeinden in diesen Fragen sei je nach Landeskirche sehr unterschiedlich.
Für die katholische Kirche betonte der Münsteraner Weihbischof Dieter Geerlings, die Deutsche Bischofskonferenz unterstütze grundsätzlich das Kirchenasyl, die Gemeinden leisteten dies jedoch in eigener Verantwortung. Es gebe "keinen rechtsfreien Raum hinter dem Altar", aber die stillschweigende Übereinkunft, dass Schutz im Einzelfall möglich sein müsse. "Ich plädiere dafür, dass diese Grauzone erhalten bleibt, weil sie uns ermöglicht, auf Humanität hinzuwirken", so der stellvertretende Vorsitzende der Migrationskommission der Bischofskonferenz. Auch de Maiziere griff das Wort von der Grauzone auf und warnte davor, hier klare Grenzen ziehen zu wollen. Der Grundkonflikt zwischen Recht und Barmherzigkeit lasse sich nicht rechtlich lösen. Der Graubereich sei deshalb für alle Beteiligten am besten, wenn man Spielraum für Barmherzigkeit erhalten wolle. Das setze ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis im Umgang mit schwierigen Fällen voraus.
(KNA - pkqkp-89-00128)
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