Der Terror in Nigeria dauert auch im Ramadan an
KNA 06.07.2015
Von Katrin Gänsler (KNA)
Abuja (KNA) Nigerias neuer Staatspräsident Muhammadu Buhari versucht es mit einer gehörigen Portion Optimismus. Am Wochenende ließ der 72-Jährige durch das Außenministerium verkünden, man sei dabei, den Kampf gegen die Terrormiliz Boko Haram zu gewinnen. Neben einer militärischen Strategie für Nigeria sowie die von Anschlägen betroffenen Nachbarländer Kamerun, Tschad und Niger sollten nun die Ursachen für den Terror untersucht und abgeschafft werden. Dazu dürften vor allem die schlechten sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen in der Region gehören, von denen gerade junge Menschen betroffen sind.
Die aktuellen Opferzahlen unterstreichen den Optimismus aber keinesfalls. Laut der Blogger-Plattform abusidiqu.com sollen allein seit Buharis Amtseinführung am 29. Mai in dem westafrikanischen Land 406 Menschen ums Leben gekommen sein. Nicht eingerechnet ist der jüngste Vorfall in Zabarmari im Bundesstaat Borno, bei dem am Freitagnachmittag weitere rund 50 Personen starben. Allerdings gehen die Schätzungen von Augenzeugen und Regierungsvertretern oft stark auseinander. Niemand zählt zudem jene Opfer, die später an den Folgen der Verletzungen sterben.
Dass der Terror ausgerechnet unter dem neuen Präsidenten Buhari, einem Muslim aus dem Bundesstaat Katsina, so außer Kontrolle geraten ist, könnte daran liegen, dass die Gruppe ihn bloßstellen wolle, schätzt Nnamdi Obasi, Nigeria-Analyst der Denkfabrik International Crisis Group (ICG). Anders als der christliche Amtsvorgänger Goodluck Jonathan kündigte Buhari beispielsweise an, unter anderem eine Kommandozentrale in der Terroristenhochburg Maiduguri einrichten zu wollen. Dennoch geht der Terror unvermindert weiter.
"Gerade die Versuche der vergangenen Tage, die Provinzhauptstadt Maiduguri zu besetzen, lassen vermuten, dass Boko Haram eher in der Offensive ist als auf dem territorialen Rückzug", so Obasi. Die Sicherheitsbehörden hatten die erneuten Anschläge stets anders bewertet: Seit Monaten heißt es, sie seien ein letztes Aufbäumen der Terroristen.
Eher skeptisch äußert sich auch der katholische Priester Maurice Kwairanga, Koordinator des Komitees für Gerechtigkeit, Entwicklung und Frieden in der Provinzhauptstadt Yola und Leiter der Flüchtlingslager, die die katholische Kirche im Bundesstaat Adamawa betreibt. "Das Problem Boko Haram ist keineswegs so gut wie beendet", sagt er. "In Gebieten wie Gwoza und Mubi, die sie eingenommen hatten, sind sie zwar geschwächt" - dennoch seien die Kämpfer nicht verschwunden. "Wer glaubt, sie verschwinden einfach mit einer neuen Regierung, der belügt sich selbst."
Schon in den vergangenen Jahren hat Boko Haram bei Angriffen auf Märkte, Busbahnhöfe oder Polizeistationen nie gefragt, welcher Religion die Opfer angehören. Trotzdem hieß es in Europa gern, die Gruppe mache Jagd auf Christen; Muslime seien eher zufällig Opfer. Zuletzt haben die Terroristen aber bewusst in und vor Moscheen Sprengsätze gezündet. Trauriger Höhepunkt war vorige Woche der Anschlag im Ort Kukawa, bei dem mindestens 97 Personen starben. Schon früher griff die Miliz Imame an, die die radikale Vorgehensweise als "sehr unislamisch" bezeichneten. Ähnliche Erfahrungen hat auch ein Bewohner aus dem Bundesstaat Adamwa gemacht, der lieber anonym bleiben möchte: "Muslime, die nicht hundertprozentig mit den Ideen von Boko Haram übereinstimmen, gelten nicht als echte Muslime und werden genau so schikaniert und verfolgt. Ich habe ein entspanntes Verhältnis zu meiner Religion und bin viel mit Christen zusammen. Für sie bin ich deshalb kein richtiger Muslim."
In diesem Jahr macht Boko Haram offenbar auch keinen Halt vor dem islamischen Fastenmonat; in vergangenen Jahren waren während des Ramadan Anschläge oft ausgeblieben. Laut Nnamdi Obasi hat sich Boko Haram möglicherweise vom "Islamischen Staat" (IS) inspirieren lassen. Der habe seine Verbündeten aufgefordert, aus dem Ramadan "einem Monat der Katastrophen, Niederlagen und Schande für Ungläubige" zu machen.
(KNA - pkrkp-89-00028)
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