Vatikan und "Staat Palästina" einigen sich auf Grundlagenvertrag
KNA 15.05.2015
Von Johannes Schidelko (KNA)
Vatikanstadt (KNA)) Als Papst Franziskus im Frühsommer 2014 in Jesu Geburtsstadt Bethlehem eintraf, sprach er vom "Staat Palästina" - anders als sein Vorgänger, der fünf Jahre zuvor die "palästinensischen Gebiete" besuchte. So ist es folgerichtig, dass der Vatikan die gleiche Nomenklatur beim neuen Grundlagenvertrag benutzt, der jetzt unterschriftsreif vorliegt. Eine bilaterale Kommission hatte das Vertragswerk am Mittwoch nach sechsjähriger Arbeit fertiggestellt. Es wird jetzt den zuständigen Autoritäten zugeleitet, die es approbieren und einen baldigen Termin für die Unterzeichnung festlegen, heißt es in einer Vatikanerklärung. Einen ähnlichen Grundlagenvertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und Israel gibt es seit 1993; wichtige Fragen sind aber nach wie vor ungeklärt.
Es gab nie einen offiziellen Akt, in dem der Heilige Stuhl Palästina als Staat anerkannte. Aber seit die UN-Vollversammlung Ende November 2012 Palästina einen Beobachterstatus als Nicht-Mitgliedsstaat bestätigte, gilt für den Vatikan diese Sprachregelung. Allerdings ist es doch nicht die gleiche Art von Beziehungen, wie sie der Vatikan mit 180 Staaten der Welt unterhält. Es handele sich um eine "Mission mit Sondercharakter", stellte der Vatikan anlässlich des Neujahrsempfangs für das diplomatische Corps in diesem Januar fest. Und im Päpstlichen Jahrbuch wird er nicht alphabetisch zwischen Pakistan und Palau aufgeführt, sondern folgt erst am Schluss - nach Zimbabwe und hinter der Europäischen Union.
Allerdings war es jetzt keine Neuigkeit - wie italienische Journalisten zunächst mutmaßten - sondern eine Kontinuität, als der Heilige Stuhl den Grundlagenvertrag mit dem "Staat Palästina" ankündigte. Das Vertragswerk soll das Leben und die Aktivitäten der katholischen Kirche fördern und rechtlich anerkennen, und ihr so einen wirksamen Dienst für die Gesellschaft ermöglichen.
Nach einer Präambel nennt der Vertrag in einem ersten Kapitel Prinzipien und grundlegende Normen für die Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten. Ausdrücklich wird dabei der Wunsch nach einer Friedenslösung zwischen Israelis und Palästinensern im Rahmen einer Zwei-Staaten-Lösung hervorgehoben. Im zweiten Kapitel finden sich, wie der Vatikan im "Osservatore Romano" (Donnerstag) mitteilte, detaillierte Aussagen zur Religions- und Gewissensfreiheit. Weiter geht es um das konkrete Leben der Kirche in den Palästinensergebieten, ihre Handlungsfreiheit, ihr Personal und ihre Rechtsstellung. Dann werden Fragen ihrer Gotteshäuser und der sonstigen Kultorte, einschließlich der Heiligen Stätten behandelt. Schließlich werden die Aktivitäten der Kirche im sozialen und karitativen Bereich sowie im Mediensektor rechtlich verankert. Zudem umfasst es auch Steuer- und Eigentumsfragen der Kirche.
Der Grundlagenvertrag baut auf einem Abkommen auf, das der Heilige Stuhl im Februar 2000, wenige Wochen vor der Reise von Johannes Paul II. (1978-2005) ins Heilige Land, mit der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO geschlossen hatte. Es handelte sich damals um eine weitgesteckte Absichtserklärung, in der grundsätzliche Rechte und Freiheiten für die Wahrnehmung kirchlicher Aufgaben in Seelsorge, Schul-, Kultur- und Sozialdienst sowie beim wirtschaftlichen und rechtlichen Handeln geregelt wurden. Es sei kein Rechtsvertrag und kein politisches Abkommen, betonte man damals im Vatikan. Der Text wolle nicht künftigen Entwicklungen und auch nicht der Ausrufung eines Palästinenserstaates vorgreifen. Dennoch sah man damals bereits Klärungsbedarf für Rolle, Rechte und Aufgaben der Kirche in den autonomen Gebieten von Bethlehem bis Jericho, von Ramallah und Jenin.
Schon im damaligen Text wurden die Prinzipien der Menschenrechte einschließlich der Religionsfreiheit und die Gleichheit aller Bürger bekräftigt. Diese Prinzipien sollen nun verbindlich festgeschrieben werden. Der Vertrag soll helfen, das Leben der Katholiken im Staat Palästina zu erleichtern. Ihre Situation hat sich wie für alle Christen, deren Zahl mit zwei Prozent abgegeben wird, in den letzten Jahren keinesfalls verbessert. Der Exodus gerade aus Christi Geburtsstadt Bethlehem hält weiterhin an. Ganz zu schweigen von der Lage der wenigen Christen im Gazastreifen.
(KNA - pkplo-89-00022)
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