Gehört der Islam zu Deutschland oder eher nicht? Diskussion um Merkels Islam-Aussage hält auch am Wochenende an
KNA 19.01.2015
Von Gottfried Bohl (KNA)
Bonn (KNA) Gehört der Islam nun zu Deutschland oder doch eher nicht? Die Debatte um die Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ging auch am Wochenende weiter. Die Kanzlerin hatte am Montag bei einem Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu und unter Verweis auf Ex-Bundespräsident Christian Wulff gesagt, der Islam gehöre zu Deutschland. Bei ihrer Regierungserklärung am Donnerstag hatte sie diese Aussage wiederholt. Zugleich aber hatte sie an muslimische Theologen appelliert, doch klarzustellen, wofür der Islam wirklich stehe und wie es sein könne, dass noch immer im Namen Allahs Terror und Hass verbreitet würden.
Zahlreiche Unionspolitiker kritisierten Merkels Aussage, etwa der Vorsitzende des Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), der Vize-Vorsitzende der Unionsbundestagsfraktion, Arnold Vaatz (CDU), und der Vorsitzende der Jungen Union Paul Ziemiak. Am Wochenende sagte Fraktionschef Volker Kauder dem Berliner "Tagesspiegel", ihm seien vielmehr die Menschen hinter der Religion wichtig: "Die Muslime gehören zu Deutschland." Der CDU-Politiker hatte bereits 2012 gesagt, dass der Islam in seinen Augen nicht zu Deutschland gehöre. Auf die Frage, ob er seine Auffassung ge-ändert habe, sagte Kauder: "Nein."
Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, sagte der "Welt", der Satz sei dann richtig, "wenn er besagen soll, dass die Millionen Muslime, die in Deutschland leben und knapp zur Hälfte auch deutsche Staatsbürger sind, zu Deutschland gehören". Mit diesem Satz könne aber nicht gesagt sein, dass der Islam die deutsche Staatsordnung, Rechtsordnung, Gesellschaftsordnung und Kultur mitgeprägt habe.Lob kam indes vom Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel. In einem Gastbeitrag für den "Tagesspiegel" schrieb er, auch die CDU-Vorsitzende sehe, dass der Islam längst zu Deutschland gehöre; das sei ein gutes Zeichen. Zugleich forderte Gabriel, dass der Satz nicht zur Phrase verkommen dürfe. Für wahrhaftige Zugehörigkeit müssten noch viele wirtschaftliche, soziale und kulturelle Voraussetzungen geschaffen werden. Dabei gehe es auch darum, "das nicht Tolerierbare einer gewaltbereiten und intoleranten Auslegung des Islam in die Schranken zu weisen". Der Islam müsse zudem akzeptieren, so Gabriel, dass er "wie jede andere Religion oder Weltanschauung ganz selbstverständlich Gegenstand von Kritik und Selbstkritik ist".
Für den hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) ist der Islam kein bestimmender Teil der nationalen Identität. Dennoch gehöre er zu Deutschland, sagte Bouffier im Deutschlandfunk. Zugleich forderte der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende die islamische Gemeinschaft auf, sich für eine zeitgemäße Interpretation ihrer Religion einzusetzen.
Dass Muslime mit ihrem Glauben in Deutschland lebten, sei Teil der gesellschaftlichen Realität, betonte die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), die auch Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ist. "Eine andere Frage ist, was daraus folgt", sagte sie in der Zeitung "Welt am Sonntag". Zugleich warnte sie vor falscher Toleranz: "Ich habe kein Verständnis dafür, dass wir als Christen in einer vorauseilenden Selbstaufgabe unsere eigenen Traditionen, die aus unserer Religion heraus erwachsen sind, verleugnen." Konkret nannte Kramp-Karrenbauer die Umbenennung von Martinsumzügen in Laternenfeste - "aus lauter Angst, man könne die Gefühle von wem auch immer verletzen".
Ein für viele sicher überraschender Vorschlag kam ausgerechnet von hochrangigen Kirchenvertretern. Der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer und der rheinische Kirchenrat Rafael Nikodemus sprachen sich bei einem religionspolitischen Kongress der Grünen in Düsseldorf für eine Öffnung des Staatskirchenrechts für den Islam und andere weltanschauliche Gruppierungen aus. Pfeffer schlug sogar vor, den Kirchensteuereinzug auch für den Islam und andere Religionsgemeinschaften zu öffnen. Dazu müssten sie allerdings die Voraussetzungen für eine öffentliche Körperschaft erfüllen.
(KNA - pklls-89-00050)
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