Islamistischer Terror überschattet anstehende Wahlen in Nigeria
KNA 09.01.2015
Von Katrin Gänsler (KNA)
Abuja (KNA) In Nigeria ist die islamistische Gewalt offenbar erneut eskaliert. Rund um die Stadt Baga im Nordosten sollen Mitglieder der Terrorgruppe Boko Haram ein Massaker mit mehreren hundert Toten angerichtet haben. Die Politik ist derweil mit einem ganz anderen Thema befasst: mit sich selbst. In Afrikas einwohnerstärkstem Land ist Wahlkampf - am 14. Februar soll ein neuer Staatspräsident gewählt werden.
Der jüngste Anschlag könnte einen traurigen Höhepunkt markieren. Laut Bericht des Senders BBC könnten in und um Baga am Mittwoch bis zu 2.000 Menschen ums Leben gekommen sein. Allerdings: Eine offizielle Bestätigung des Überfalls und von konkreten Zahlen gibt es bislang nicht.
Schon zuvor war Baga, strategisch wichtig in der Nähe zu Kamerun gelegen, ins Visier der Terroristen gerückt. Nach einem Überfall vergangene Woche sollen diese dort ihre schwarze Flagge gehisst haben. Auch im abgelaufenen Jahr verzeichnete Baga schwere Angriffe. Der einzige Schauplatz des Terrors ist die Stadt derzeit aber nicht: Aus Malari, ebenfalls im Bundesstaat Borno gelegen, entführten Terroristen Augenzeugenberichten zufolge vergangene Woche 40 junge Männer. Mehrere hunderttausend Menschen haben den Nordosten Nigerias inzwischen verlassen und sich in Nachbarländer und die Hauptstadt Abuja geflüchtet. Neue brutale Anschläge gelten nicht nur in entlegenen Regionen, sondern auch in den großen Städten des Nordens sowie in Abuja jederzeit als möglich.
Dennoch soll im bevölkerungsreichsten Land Afrikas mit seinen mehr als 170 Millionen Einwohnern im Februar ein neuer Präsident gewählt werden. Neben Amtsinhaber Goodluck Jonathan (57) von der People's Democratic Party (PDP) ist Muhammadu Buhari (72) vom All Progressives Congress (APC), einem relativ neuen Zusammenschluss verschiedener Oppositionsparteien, aussichtsreichster Kandidat.
Buhari war von 1983 bis 1985 Militärherrscher. Die Wahl 2011 verlor er gegen Jonathan. Nun erhält er eine neue Chance. Der Vorsitzende der unabhängigen nationalen Wahlkommission (INEC), Attahiru Jega, hält am Termin 14. Februar fest. "Wir sind mental und finanziell auf die Wahlen vorbereitet", betonte er jüngst. Das abschließende "OK" sollen zwar die Sicherheitsdienste geben. Doch Beobachter gehen nicht davon aus, dass es zum Veto kommt. Ohnehin werden Sicherheitsbedenken heruntergespielt. Vor Wahlen, so die Wahlkommission, habe es in Nigeria stets Spannungen gegeben. Die aktuelle Entwicklung sei kein Grund zur Besorgnis.
Doch anders als noch vor vier Jahren führt heute etwa die Nichtregierungsorganisation "International Crisis Group" die Lage in Nigeria als einen der "zehn Kriege weltweit" an, denen 2015 Beachtung geschenkt werden müsse. Bis zu 13.000 Menschen könnten in den vergangenen fünf Jahren durch den Terror ums Leben gekommen sein; unabhängige Zahlen gibt es allerdings nicht.
Als besonders erschreckend gilt die Bereitschaft der Terroristen, sogenannte weiche Ziele anzugreifen, also Schulen, Marktplätze, Kirchen und Moscheen. Noch immer befinden sich 219 Schülerinnen, die im April 2014 im nordnigerianischen Chibok entführt wurden, in den Händen von Boko Haram. In Nigeria hat niemand mehr Zweifel, dass die Terroristen darüber hinaus mehrere hundert Männer und Frauen gekidnappt und in ihrer Gewalt haben. Selbst für das krisengebeutelte Nigeria ist das eine neue Eskalationsstufe.
Die Stimmen, die eine Verschiebung der Wahlen fordern, werden lauter. Dazu gehört auch Tunde Bakare, Pastor einer Freikirche, der "Latter Rain Assembly", in Lagos. 2011 kandidierte er gemeinsam mit Buhari um das höchste Amt im Staat. Solche Forderungen werden sich aber kaum durchsetzen können. Denn nicht nur Boko Haram schwächt die Regierung, sondern auch der fallende Ölpreis - ist Nigeria doch einer der weltweit größten Öllieferanten. Die wirtschaftliche Lage könnte sich in den kommenden Wochen also massiv verschlechtern. Beobachtern zufolge ist das Grund genug für die Regierung, die Wahlen so zügig wie möglich durchzuziehen.
(KNA - pklkt-89-00074)
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