Historiker: Islamische Gesellschaften haben Demokratieproblem
KNA 26.01.2015
Berlin (KNA) Der Historiker Heinrich August Winkler sieht den Islam in Deutschland auf einem guten Weg, sich in das demokratische Wertesystem der Bundesrepublik einzufügen. "Zu Deutschland gehört ein Islam, der die Glaubens-, Meinungs- und Pressefreiheit sowie die anderen Grundrechte bejaht, sich also auf den Boden des Grundgesetzes stellt und damit der politischen Kultur des Westens öffnet", sagte Winkler dem Berliner "Tagesspiegel" (Sonntag).
Umfragen zeigten, dass die überwältigende Mehrheit der in Deutschland lebenden Muslime dies wolle. "Das rechtfertigt einen gewissen Optimismus mit Blick auf den weiteren Integrationsprozess des Islam", meinte er.
Zugleich bescheinigte Winkler islamischen Gesellschaften erhebliche Probleme mit der Demokratie: "Man kann nicht kategorisch behaupten, islamische Gesellschaften seien demokratieunfähig. Aber sie haben häufig große Schwierigkeiten, den Weg zu einer pluralistischen Demokratie zurückzulegen."
Als Grund nannte der Historiker die "Weigerung islamistischer Parteien, die Trennung von irdischen und göttlichen Gesetzen vorzunehmen". Viele islamische Rechtsgelehrte wollten die Menschenrech-te nur im Rahmen der Scharia gelten lassen. "Sie bejahen nicht die unveräußerlichen Menschenrechte, ihre Haltung ist mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen im Dezember 1948 nicht vereinbar", so der Historiker.
Winkler äußerte sich auch zur islamkritischen Pegida-Bewegung. Sie stünde in der Traditionslinie antidemokratischer Kräfte aus der Zeit vor der Machtübernahme des Nationalsozialismus. "Pegida vertritt eine Ideologie, die Deutschland schon einmal in die Katastrophe gestürzt hat", so der Historiker. "Wir haben es mit einer Bewegung zu tun, die altdeutsche Vorbehalte gegen die westliche Demokratie in einer Weise konserviert, wie wir es bis zum Herbst 2014 nicht mehr für möglich gehalten haben", fügte er hinzu.
Notwendig sei deshalb "eine offensive und keine schönrednerische Auseinandersetzung". Die Stoßrichtung von Pegida bedeutete "eine Absage an den aufgeklärten Westen und seine Ideen der unveräußerlichen Menschenrechte, der Toleranz, der Aufklärung und der Liberalität", warnte Winkler.
(KNA - pklmo-89-00034)
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