Buharis Bilanz nach 100 Tagen an der Staatsspitze Nigerias
KNA 03.09.2015
Von Katrin Gänsler (KNA)
Cotonou/Abuja (KNA) Findige Grafiker in Nigeria malen ihm heute gerne ein Schneckenhaus auf den Rücken. Das Bild, so finden viele Nigerianer, passt gut zu dem Beinamen, den Nigerias neuer Präsident Muhammadu Buhari mittlerweile im Volksmund trägt. Immer häufiger wird der 72-Jährige in den nigerianischen Medien als "Baba Go Slow" bezeichnet. Es ist ein Wortspiel, dass sich aus der katastrophalen Verkehrssituation und den ständigen Staus in der Wirtschaftsmetropole Lagos - dem "Go Slow" - und Buharis im Wahlkampf etablierten Beinamen "Sai Baba Buhari" zusammensetzt. Übersetzt heißt das etwa: der wahre und einzige Buhari. Auf Haussa, einer im Norden des Landes weit verbreiteten Sprache, gibt es sogar ein Lied dazu.
Die Euphorie, die herrschte, als sich der General schon im ersten Wahlgang gegen Amtsinhaber Goodluck Jonathan durchsetzte, ist 100 Tage nach der Amtseinführung (Stichtag 5. September) verflogen. Wenig hat sich seither getan. In der Hauptstadt Abuja ist zumindest die Stromversorgung besser geworden, nicht mehr ständig summt der Notstromgenerator, wie in den Tagen vor Buharis Amtseinführung. Damals lag die Versorgung bei einem historischen Tiefpunkt von lediglich 1,3 Megawatt Leistung. Vergangene Woche hieß es von der Transmission Company of Nigeria (TCN), mit 4,8 Megawatt sei ein neuer Spitzenwert erreicht worden. Besser geworden ist auch die Benzinversorgung. Nach der wochenlangen "Fuel Scarcity" gibt es wieder Sprit.
Noch immer wartet man in Nigeria allerdings auf das neue Kabinett. Buhari, der bereits 1984 und 1985 als Militärherrscher an der Staatsspitze stand, hatte angekündigt, dieses möglicherweise erst im September zu benennen. Beobachter gehen davon aus, dass es nicht nur um Personen und Namen geht, sondern Ministerien grundlegend umstrukturiert werden sollen. Seit jeher gilt der nigerianische Staatsapparat als zu kostspielig und ineffizient. Das liegt auch am schwerfälligen Föderalismus. So muss aus allen 36 Bundesstaaten je ein Kabinettsmitglied kommen. Ein schwieriges Unterfangen.
Dabei hat Nigeria keine Zeit zu verlieren. Vor allem die Wirtschaft leidet unter der Hängepartie. Die Großaufträge kommen vom Staat, doch die Firmen wissen nicht, welche Art von Wirtschaftspolitik Buhari betreiben wird, beschreibt der nigerianische Schriftsteller und Journalist Okey Ndibe das Problem. Investitionen bleiben deshalb aus.
Im Wahlkampf hatte Buhari noch zahlreiche Versprechungen gemacht. Das "Buharimeter" des Zentrums für Demokratie und Entwicklung (CDD) will bis zum Ende seiner Amtszeit im Jahr 2019 insgesamt 222 Versprechen analysieren und deren Ergebnisse präsentieren. Als Fahrplan für die ersten 100 Tage galt auch das Heftchen "Mein Abkommen mit den Nigerianern", das vor der Wahl Ende März verteilt wurde. Präsidentensprecher Garba Shehu erklärte nun jedoch, einen solchen Plan habe es nie gegeben - sehr zum Unmut der Zivilgesellschaft. In dem kleinen Heft heißt es unter anderem, kein nigerianisches Kind werde mehr entführt und ermordet werden. Seit Buharis Amtseinführung wütet die Terrorgruppe Boko Haram jedoch wie lange nicht mehr. In den vergangenen drei Monaten starben Schätzungen zufolge bei Anschlägen rund 1.000 Menschen. Laut einem Bericht der nigerianischen Zeitung "The Punch" kam es erst Anfang der Woche in zwei entlegenen Dörfern im Bundesstaat Borno wieder zu Übergriffen. Dabei starben Augenzeugen zufolge 26 Menschen. Und auch die vor mehr als einem Jahr entführten 200 Mädchen von Chibok befinden sich noch immer in den Händen der Terrormiliz.
(KNA - pktkn-89-00187)
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