Khorchide für Unterscheidung von Glaube und Meinung im Islam
KNA 23.11.2015
Frankfurt (KNA) Der Münsteraner Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide ruft dazu auf, im Islam stärker zwischen Glauben und Meinen zu unterscheiden. Auch Mohammed habe eine klare Trennlinie gezogen "zwischen dem, was er als Gottes Gesandter verkündete, und dem, was er als seine Meinung vortrug", schreibt Khorchide in einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Montag).
Mohammed habe deutlich unterschieden zwischen seinen Rollen als Gesandter und Verkünder einer göttlichen Botschaft und ethischer Prinzipien in Mekka sowie als "Staatsoberhaupt" und Gründer eines "Rechtsstaates" in Medina. Dabei verweist Khorchide auf die "für einen säkular zu verstehenden Islam heute wichtige Anmerkung" Mohammeds, die er so zitiert: "Ich bin nur ein Mensch. Wenn ich hinsichtlich eurer Religion etwas . . anordne, so befolgt es. Wenn ich euch jedoch etwas aufgrund meiner Meinung anordne, so bin ich nur ein Mensch. Ihr kennt euch besser aus in euren irdischen Angelegenheiten als ich."
Dagegen, so Khorchide, betrachteten viele islamische Gelehrte heute die Bemühungen Mohammeds in seiner Funktion als Staatsoberhaupt als Teil seiner göttlichen Verkündung. Alle juristischen Regelungen und die gesamte Gesellschaftsordnung in Medina inklusive der Geschlechterrollen erschienen daher als "kontextunabhängige, verbindliche göttliche Gesetzgebung, der alle Muslime unterliegen". Dieses Verständnis aber blockiere jeden Versuch, die juristische Ordnung weiterzuentwickeln und zwinge jeden Muslim, rückwärtsgerichtet zu denken. Verorte man hingegen das Wirken Mohammeds als Staatsoberhaupt in seinem historischen Kontext, dann sei es heute "der spirituelle und der ethi-sche Geist des Korans, der für Muslime verbindlich ist. Die Rechtsordnung erscheint dagegen als Ausdruck einer bestimmten historischen Epoche und muss mit dem Wandel der Gesellschaften Schritt halten."
Diese Verortung von Rechtsvorschriften in ihrem historischen Kontext sei die Voraussetzung dafür, "den Islam heute mit demokratischen Grundwerten sowie mit unserem Verständnis von Menschen-rechten in Einklang zu bringen". Einem spirituell und ethisch verstandenen Islam gehe es nicht um Körperstrafen oder Geschlechterrollen des siebten Jahrhunderts.
Ein Hauptproblem der islamischen Theologie heute, so der Wissenschaftler, bestehe in der Vorstel-lung, die islamische Lehre sei unveränderbar. Mohammed selbst aber habe "auf die essenzielle Not-wendigkeit einer ständigen Reform des Verständnisses des Islam" hingewiesen. Zudem leide der Islam auch stark darunter, dass viele Muslime ihn "primär auf eine juristisch-normative Ebene reduzieren". Der Gläubige wolle dann an erster Stelle wissen, was erlaubt und was verboten sei: "Der Koran will aber den Menschen zu einem mündigen Wesen erziehen, das sich auch als religiöse Person selbst entfaltet."
(KNA - pllmn-89-00018)
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