Nach der Flucht vor Boko Haram bleibt die Angst
KNA 13.02.2015
Von Katrin Gänsler (KNA)
Abuja/Bonn (KNA) Aus dem Norden Nigerias sind bereits mehr als eine Million Menschen vor der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram geflüchtet. Sie suchen in Flüchtlingslagern der Region Schutz, in der Hauptstadt Abuja, aber auch in den Nachbarländern Niger, Tschad und Kamerun. Doch versorgt und in Sicherheit sind sie deshalb noch lange nicht. Schließlich wütet Boko Haram weiter - in Nigeria und neuerdings auch länderübergreifend.
Zum ersten Mal haben die Terroristen jüngst jenseits von nigerianischem Boden zugeschlagen. Vergangenes Wochenende griffen sie zwei Städte im Nachbarland Niger an. Am Freitagmorgen ermordeten sie mehrere Menschen im Tschad. Dort sowie im Nachbarland Kamerun leben rund 157.000 nigerianische Flüchtlinge. Es sind jene Länder, die sich Ende Januar beim Gipfel der Afrikanischen Union (AU) in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abbeba zum regionalen Militärbündnis gegen Boko Haram zusammengeschlossen haben.
In den Nachbarländern stehen die Menschen in aller Regel vor dem Nichts. Deshalb forderte das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR), uneingeschränkten Zugang zu den Flüchtlingen zu erhalten.
Allerdings ist nicht nur die Versorgung ein Problem, sagt Hannes Stegemann, Afrika-Experte von Caritas International mit Sitz in Freiburg. "Es herrscht Paranoia. Man weiß nicht, wer Freund oder Feind ist." Für den jüngsten Anschlag in Diffa soll eine Selbstmordattentäterin verantwortlich sein, die dort als Flüchtling lebte.
"Die Angst spürte man schon im November", sagt Stegemann, der damals Projektpartner im Niger besuchte. Nun eskaliere die Situation. "Sicherheitskräfte machen Jagd auf Flüchtlinge. Die Bereitschaft, diese aufzunehmen, geht zurück." Dennoch solle möglichst schnell Flüchtlingshilfe durch lokale Partner geleistet werden. Dazu gehöre auch ein Friedensdialog, um eine "Widerstandsfähigkeit gegen Boko Haram" zu erreichen.
Neben den Nachbarländern hat Nigeria selbst mit Vertriebenen zu kämpfen. 981.416 Binnenflüchtlinge - so lauten die jüngsten Zahlen der staatlichen Nothilfe-Agentur NEMA - waren es bis Ende Januar. Die Dunkelziffer wird deutlich höher geschätzt.
Verlassen haben die Menschen den Nordosten des Landes und somit jene Region, in der die islamistische Terrorgruppe Boko Haram seit Jahren Anschläge auf Märkte, Schulen, Kirchen und Moscheen verübt. Im vergangenen Jahr verschärfte sich die Lage noch einmal. Boko Haram besetzte ganze Dörfer und Städte, rief ein Kalifat aus und hat seitdem mehrere hundert Mädchen und Jungen entführt. Wer kann, hat deshalb oft nur noch eines im Sinn: die Flucht in eine Region, die sicherer ist.
Versorgt werden die Binnenflüchtlinge nun unter anderem von Mitarbeitern der Diözese Maiduguri. Es ist die Hauptstadt des Bundesstaates Borno, wo Boko Haram besonders viele Anschläge verübt hat. Zum Teil sind die Menschen in Flüchtlingslagern untergebracht, viele haben aber Zuflucht bei ihren Familien oder auf dem Gelände von Kirchen gefunden. Ausgestattet werden sie mit Lebensmitteln, Decken, Trinkwasser. Dabei ist eines für den Bischof von Maiduguri, Oliver Dashe Doeme, klar: "Christen sind genauso betroffen wie Muslime", sagt er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), "natürlich helfen wir ihnen genauso. Boko Haram ist schließlich unser aller Problem".
Problematisch sind für viele Flüchtlinge allerdings die Präsidentschaftswahlen. Diese wurden gerade um sechs Wochen auf den 28. März verschoben. Mit der Ankündigung der Regierung, nun einen großen Militäreinsatz zu planen, wächst jedoch die Hoffnung, am Wahltag in die Heimatdörfer zurückkehren zu können.
Wie brüchig die Lage im Nordosten Nigerias ist, erlebt Maria Klatte, Leiterin der Abteilung Afrika/Naher Osten des Hilfswerks Misereor, bei Gesprächen mit lokalen Partnern. "Es gibt Einschüchte-rungen. Die Machbarkeit von Projekten ist eingeschränkt", sagt sie. Dennoch seien Projekte für Flüchtlinge wichtiger denn je. Neben Nothilfe setze Misereor auf die Förderung von ländlicher Entwicklung und Friedensarbeit. "Genau damit kann ein Zeichen der Hoffnung gesetzt werden", so Klatte.
(KNA - pkmln-89-00141)
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