Vor 50 Jahren: Vatikan fasst seine Haltung zu Nichtchristen neu
KNA 26.10.2015
Von Johannes Schidelko (KNA)
Vatikanstadt (KNA) Sie gilt als "Meilenstein" in den Beziehungen der katholischen Kirche zu den nichtchristlichen Religionen; als "Neuanfang"; "Magna Carta", "Kopernikanische Wende". Viele Superlative ranken sich um die Erklärung "Nostra Aetate", die vor 50 Jahren, am 28. Oktober 1965, vom Zweiten Vatikanischen Konzil verabschiedet wurde. In dem Dokument unterstrich die Kirche ihre Wertschätzung gegenüber anderen Religionen und eröffnete mit ihnen Dialog und Zusammenarbeit. Schon damals hieß es, man werde das gesamte Konzil nach dieser Erklärung beurteilen.
Bei einer internationalen Konferenz mit 400 hochrangigen Vertretern verschiedener Religionen erinnert der Vatikan in dieser Woche an das Jubiläum. Am Mittwoch nehmen sie an der Generalaudienz des Papstes auf dem Petersplatz teil, die ganz dem Konzilstext gewidmet sein wird.
"Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist". Mit diesen Worten beendete "Nostra Aetate" die lange Ära der Abgrenzungen und Feindschaft. Es ist eine der kürzesten und zugleich umstrittensten Erklärungen des Konzils. Um wenige Texte wurde so hart gerungen. Das Papier enthält positive Formulierungen zu Buddhismus und Hinduismus. In erster Linie aber ruft es die Katholiken zu gegenseitigem Verständnis mit den Religionen auf, die ihnen am nächsten stehen, weil sie den alleinigen Gott anerkennen: Islam und vor allem Judentum.
Papst Johannes XXIII. hatte ursprünglich nur eine Erklärung zum Judentum geplant. Sie war nach Einwänden von arabischer Seite jedoch nicht zustande gekommen, sondern wurde schließlich als ein Unterkapitel in die umfangreichere Endfassung aufgenommen.
Was die Beziehungen zu den Juden anbelangt, entwickelte sich "Nostra Aetate" zu einer "Erfolgsgeschichte", wie der für die Ökumene zuständige Kurienkardinal Kurt Koch betont. Und Papst Johannes Paul II. sagte 1986 bei seinem historischen Synagogen-Besuch in Rom, die Kirche habe mit dem Judentum eine Verbindung wie mit keiner anderen Religion. Der amtierende Papst Franziskus betonte in seiner ersten Audienz für jüdische Gäste auf den Punkt: Das Christentum habe seine Ursprünge im Judentum. Daher seien "aller Hass, alle Verurteilungen und antisemitische Ausdrucksformen entschieden zu verurteilen", betonte er. "Ein Christ kann nicht Antisemit sein aufgrund unserer gemeinsamen Wurzeln."
Derzeit führt der Vatikan in diesem Bereich mehrere Dialoge: mit den Großrabbinaten in Jerusalem und mit dem International Catholic-Jewish Liaison Committee (ILC). Die Kontakte sind gut, die Beziehungen durch gewachsene Freundschaften so stabil und belastbar, dass sie auch Herausforderungen und Krisen überstehen. Selbst heikle Themen wie die umstrittene Karfreitagsfürbitte oder die Bewertung der Rolle von Pius XII. im Zweiten Weltkrieg lösten keinen Bruch aus.
Schwieriger sind die Beziehungen zum Islam. Nach ersten aussichtsreichen Gespräche kam es 1976 einen Eklat, als der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi bei einem christlich-islamischen Treffen in Tripolis seine ahnungslosen vatikanischen Gäste ein polemisches Dokument auf Arabisch unterschreiben ließ. Danach kühlten die Beziehungen ab und wurden nicht zuletzt wegen der Revolution im Iran immer schwieriger.
Die Päpste versuchten wiederholt Neuanfänge. Benedikt XVI. (2005-2013) sorgte mit seinem Regensburger Vortrag 2006 zunächst für Verwirrung. Mit seinem Besuch in der Blauen Moschee von Istanbul trug er kurz darauf aber zur Entkrampfung der angespannten Beziehungen bei.
Inzwischen pflegt der Heilige Stuhl Kontakte zu allen großen Glaubensrichtungen des Islam - zu Sunniten, Schiiten, Wahabiten. Teil dieses Austauschs ist auch das katholisch-islamische Forum, das der Vatikan - ebenfalls eine Konsequenz von Regensburger - mit dialogoffenen Muslimvertretern leitet.
Die Gespräche mit anderen Religionen finden eher im Hintergrund statt. Wie zum islamischen Fastenmonat Ramadan schickt der Vatikan jährlich auch Grüße zum Diwali-Fest der Hindus und zum buddhistischen Vesakh-Fest. Zu den großen Initiativen gehören freilich die großen interreligiösen Friedensgipfel in Assisi. Seit 1986 haben alle Päpste dazu eingeladen.
(KNA - plkmq-89-00191)
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