Afghanischer Künstler Aatifi stellt auf Berlins Museumsinsel aus
KNA 03.07.2015
Von Inge Pett (KNA)
Berlin (KNA) "News from Afghanistan": Der Titel der Ausstellung lässt ein eher politisches Thema vermuten, die aktuelle Entwicklungen im krisengeschüttelten Land reflektiert. Doch dem ist nicht so im Berliner Museum für Islamische Kunst. "Es geht mir ausschließlich um ästhetische Fragen", betont der in Bielefeld lebende Künstler Aatifi (50).
Aus dem afghanischen Kandahar kam er vor 20 Jahren nach Deutschland und studierte an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden. Doch schon seit seinem sechsten Lebensjahr beschäftigt sich Aatifi mit Kalligrafie, der Kunst des "Schönschreibens". Es ist eine Technik, die er auf höchst individuelle Weise mit der abstrakten "westlichen" Kunst in Verbindung bringt.
Im Mschatta-Saal des Pergamonmuseums, angrenzenden Räumen und dem Treppenhaus sind bis zum 18. Oktober Aatifis Arbeiten zu sehen, die er eigens für das Museum für Islamische Kunst geschaffen hat, umgeben von weiterer Kunst aus 14 Jahrhunderten. Ungewöhnliches wird hier ungewöhnlich präsentiert.
Während die Wände von kostbaren Teppichen behangen sind, liegt mitten in einem der Ausstellungsräume ein großformatiges Gemälde auf dem Boden. Der Künstler wählte diese nicht-frontale Präsentation, um den Schaffensprozess zu verdeutlichen. Zuerst habe er Farbe auf die Leinwand gegossen, erklärt Aatifi. "Am Anfang ist der Zufall". Der Farbverlauf gebe dann die Komposition vor.
Dann holte der ausgebildete Kalligraf aus, konzentrierte seine körperliche und geistige Kraft, um in einer einzigen energetischen Bewegung seine Striche zu ziehen. Alle Spannung entlud sich in einem Moment, ein Vorgang, der Erfahrung und Perfektion verlangt. Mit selbst gefertigten Pinseln entstanden so die virtuosen schwarzen Linien, die der Künstler ohne abzusetzen auf den Bildträger bannte.
Wie in diesem Werk lassen sich gebrochene, entfremdete Buchstaben in allen Gemälden, Radierungen und Tuschezeichnungen ausmachen. Es entstand eine eigene, reduzierte Bildsprache, die durch die vielen Schichten zugleich eine fast dreidimensionale Dynamik aufweist.
Dabei dominiert meist - neben einem intensiven Rot - die Farbe Blau. Sie habe eine Tradition, die bis ins 9. Jahrhundert reicht, erklärt Stefan Weber, Direktor des Museums für Islamische Kunst, und deutet auf die Vasen in den Vitrinen. Dieses aus Lapislazuli-Pigmenten gewonnene Blau habe einen Siegeszug um die ganze Welt hinter sich. In seinem Haus sei es beispielsweise das weltberühmte Ischtartor, eines der Stadttore von Babylon, das in diesem Blau erstrahlt.
Weber hält es eigentlich für problematisch, zeitgenössische Kunst im Rahmen der ständigen Ausstellung zu zeigen. Doch in diesem Fall sieht er die musealen Exponate in einem interessanten ästhetischen Dialog mit den farbintensiven Werken Aatifis, auch wenn kein inhaltlicher Bezug besteht.
Die moderne Interpretation "islamischer" Kalligrafie des afghanischen Künstlers zeige auf beeindruckende Weise, wie Elemente einer kultur- und kunstgeschichtlichen Tradition zu neuem Leben erweckt werden könnten, betont Weber: "Die persische oder arabische Kalligrafie - die wichtigste Kunstform in der klassisch-islamischen Welt - wird so von einem nur kulturell verständlichen Schriftcode zum Teil einer modernen internationalen Kunstsprache."
(KNA - pkrkn-89-00123)
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