Käßmann mahnt, Massaker an Armeniern "Völkermord" zu nennen
KNA 20.04.2015
Berlin (KNA) Im Streit um die Einstufung der Massaker an den Armeniern, deren Beginn sich am kommenden Freitag zum 100. Mal jährt, fordert die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, Klartext von allen Beteiligten: "Wir können doch nur aus der Geschichte lernen, wenn wir Völkermord auch Völkermord nennen", schreibt Käßmann in "Bild am Sonntag". Anders als etwa Papst Franziskus und das EU-Parlament vermeidet die Bundesregierung bisher den Begriff "Völkermord".
Zur Begründung verweist Käßmann auf die Aufarbeitung der Holocaust-Verbrechen: "Als Deutsche haben wir schließlich auch gelernt, dass die Ermordung von Millionen Juden Völkermord war, dass wir tiefe Schuld auf uns geladen haben." Und dieser Lernprozess habe die große Mehrheit im Land sehr sensibel gemacht für Menschenrechte und die Frage von Krieg und Frieden: "Dafür können wir dankbar sein. So ist es gut, dass in der Türkei selbst sich Stimmen regen, den Völkermord an den Armeniern als Teil der eigenen Geschichte anzusehen."
Der Verfolgung zwischen 1915 und 1918 im Osmanischen Reich fielen nach neuesten Schätzungen bis zu 1,5 Millionen Armenier zum Opfer. Am Freitag steht anlässlich des 100. Jahrestages eine Bundestagsdebatte zum Gedenken an die Gräueltaten auf der Tagesordnung. Am Abend zuvor wollen die Kirchen in einem ökumenischen Gottesdienst im Berliner Dom an die Ereignisse erinnern. Im Anschluss an den Gottesdienst soll Bundespräsident Joachim Gauck reden.
Deutschland spricht bisher offiziell nicht von einem Völkermord. Die Bundesregierung verurteile das "Massaker und die Vertreibung" an den Armeniern und setze sich sehr für eine Versöhnung ein, hieß es in den letzten Tagen aus Regierungskreisen. Denn trotz aller unterschiedlichen Einschätzungen müsse ein gemeinsamer vernünftiger Weg in die Zukunft der betroffenen Völker gefunden werden.
Papst Franziskus hatte die Ermordung als "ersten Genozid des 20. Jahrhunderts" bezeichnet und damit scharfen Protest der türkischen Regierung und Öffentlichkeit hervorgerufen. Auch das EU-Parlament forderte von der Türkei die Anerkennung des Völkermords.
(KNA - pkols-89-00044)
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