Theologe: Religion ist notorisch unterschätzt worden
KNA 16.02.2015
Berlin (KNA) Religion ist in der Vergangenheit aus Sicht des protestantischen Theologen Friedrich Wilhelm Graf notorisch unterschätzt worden. "Wir sind davon ausgegangen, dass wir in einer säkularen, religionsfernen Gesellschaft leben, das hat sich in vielfältiger Weise nicht bewahrheitet", sagte Graf am Montag im Deutschlandradio Kultur. Das gelte vor allem im Hinblick auf den Islam.
Graf betonte, dass Religionen wie Gesellschaften vielfältig seien. "Begriffe wie DAS Christentum, DAS Judentum, DER Islam sind im Kern wenig hilfreich." Alle drei Religionen seien in sich hochgradig differenziert. "Es gibt nicht das Christentum, es gibt viele Christentümer. Und dasselbe gilt für das Judentum und den Islam", so der Theologe.
Der emeritierte Professor für Systematische Theologie und Ethik forderte, die Vielfalt und die demokratischen Traditionen im Islam sichtbar zu machen. Es gebe auch einen moderaten, an Aufklärung orientierten und demokratiekompatiblen Islam. Auf den Philippinen gebe es etwa eine Demokratie mit islamischer Prägung: "Insofern haben wir allen Anlass, unser Bild des Islam zu differenzieren."
Zugleich warf Graf den christlichen Kirchen eine bevormundende "Autoritätskultur" vor. "Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir in vielen Formen Freiheitsansprüche und Freiheitsrechte institutionalisiert haben. Wir erleben aber zugleich sehr viel Autoritätskultur in den religiösen Organisationen und Institutionen. Und das ist ein Widerspruch, den viele Menschen nicht ertragen", sagte der Theologe.
(KNA - pkmlq-89-00002)
Auf unserer Hauptseite finden Sie weitere Informationen zu den Themen interreligiöser Dialog und christlich islamischer Dialog.