Papst gerührt von Zeugnissen in Sarajevo - legt Rede beiseite
KNA 08.06.2015
Sarajevo (KNA) Tief beeindruckt von den erschütternden Berichten einer Ordensfrau und zweier Priester über ihre Erlebnisse im Bosnien-Krieg hat Papst Franziskus in Sarajevo seinen vorbereiteten Redetext kurzerhand beiseitegelegt. "Die Zeugnisse haben für sich selbst gesprochen; das ist das Gedächtnis eures Volkes", sagte Franziskus bei einer Begegnung mit Geistlichen und Ordensleuten in der katholischen Kathedrale von Sarajevo. Ein Volk, das sein Gedächtnis verliere, verliere die Zukunft, so der Papst. Dies sei das Gedächtnis ihrer Mütter und Väter im Glauben. Es müsse bewahrt werden, nicht um Rache zu üben, sondern um Frieden zu schaffen.
Die Ordensfrau Ljubica Sekerija berichtete zuvor, wie sie 1993 in die Gewalt muslimischer Milizionäre ausländischer Herkunft geriet, von ihnen geschlagen und mit vorgehaltenem Gewehr zu einem Übertritt zum Islam gedrängt wurde. Ihre Entführer hätten einem Priester gedroht, sie zu töten, wenn er nicht mit seinen Füßen auf den Rosenkranz der Ordensfrau trete. Sie habe den Geistlichen angefleht, es nicht zu tun. Schließlich hätten die Kämpfer von ihrem Vorhaben abgelassen, so Sekerija, die der Kongregation der Töchter der göttlichen Liebe angehört. Zuletzt habe ihr ein ausländischer Milizionär eine Birne angeboten und sie freigelassen. Anschließend berichteten zwei Geistliche von ähnlichen Erfahrungen.
In seinem zuvor vom Vatikan verbreiteten Redetext warnt der Papst katholische Priester und Ordensleute davor, sich als "eine Art in sich abgeschlossene Elite" zu verstehen. Sie müssten vielmehr die Ängste und Hoffnungen der Menschen miterleben. Es gebe kein besseres Zeugnis für die christliche Botschaft, als den Menschen in ihren materiellen und geistlichen Nöten nahe zu sein. Bischöfe, Priester und Ordensleute müssten die Menschen die tröstende und heilende Hand Gottes spüren lassen, so Franziskus.
Von den rund 3,8 Millionen Bewohnern Bosnien-Herzegowinas gehören heute 440.000 der kroatisch-katholischen Gruppe an; seit Ausbruch des Bosnien-Kriegs 1992 hat sich ihre Zahl halbiert; die Auswanderung hält an. Der Papst fordert Priester und Ordensleute in seiner vorbereiteten Rede weiter auf, auch auf kirchenferne Personen zuzugehen. Sie müssten die Menschen dort treffen, wo sie lebten, "auch jenen Teil, der sich außerhalb der Einzäunung" befinde. Zudem rief Franziskus die Geistlichen auf, katholische Gemeinschaften heranzubilden, die "offen und im Aufbruch sind, aufnahmebereit, kontaktfreudig und mutig im Zeugnis für das Evangelium".
(KNA - pkqkq-89-00090)
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