Experte: Antisemitismus bei muslimischen Jugendlichen nimmt zu
KNA 18.03.2015
Köln (KNA) Nach Auffassung des Islamwissenschaftlers Michael Kiefer nimmt Antisemitismus unter muslimischen Jugendlichen in Europa seit Jahren deutlich zu. Im domradio-Interview forderte der Mitarbeiter des Instituts für Islamische Theologie an der Universität Osnabrück am Dienstag ein Umdenken in der Bildungspolitik, insbesondere in Sachen Religionsunterricht und Werteerziehung: "Hier ist mehr Dialogarbeit und Begegnungsarbeit notwendig. Das muss mehr in den Lehrplänen verankert werden."
Die von ihm beobachtete Zunahme judenfeindlicher Ansichten unter jungen Menschen führt Kiefer unter anderem auf die Art und Weise zurück, wie der Palästina-Konflikt "medial inszeniert" werde: "Eine hochemotionalisierte Berichterstattung hat dann diese Folgen." Außerdem spiele "sicher auch eine Rolle, dass viele Jugendliche hier in Deutschland Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht haben".
Wachsender Antisemitismus unter jungen Muslimen ist nach Ansicht des Experten "eindeutig ein gesamteuropäisches Phänomen". Gerade in Frankreich sei es in den vergangenen Jahren zu schlimmen antisemitischen Anschlägen gekommen, aber auch in Belgien und Dänemark: "Die Liste der Anschläge wächst, daran kann man erkennen, dass für jüdische Gemeinden in ganz Europa eine beträchtliche Gefahr besteht."
Dass sich Juden in bestimmten Stadtteilen mit hohem muslimischem Bevölkerungsanteil nicht mehr als Juden zu erkennen geben sollten, hält Kiefer für keinen guten Ausweg: "Das wäre ja eine Kapitulation, wenn Menschen sich nicht mehr zu ihrer Religion bekennen könnten. Wenn diese Probleme bestehen, müssen sie angegangen werden." Eine Vermeidung von religiösen Symbolen könne nicht die Antwort sein.
Vielen muslimischen Gemeinden bescheinigte Kiefer im domradio-Interview aber auch große Fortschritte beim Kampf gegen Judenfeindlichkeit in der Migrationsgesellschaft. Auch der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, fordere sehr deutlich von den Gemeinden eine Abgrenzung gegenüber jeglicher Form von Antisemitismus. Dieser sei auch "kein gesamtmuslimisches Phänomen". Trotz des Anstiegs unter Jugendlichen habe man es insgesamt "immer noch mit einer kleinen Zahl von Muslimen zu tun, die hier offensichtlich antisemitischen Ansichten anhängen".
(KNA - pknlr-89-00215)
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