Bundesregierung spricht von Massaker an Armeniern
KNA 13.04.2015
Berlin (KNA) Die Bundesregierung hält sich bei der Formulierung "Völkermord" für die Verfolgung der Armenier während des Ersten Weltkriegs zurück. Die Bundesregierung verurteile das "Massaker und die Vertreibung" an den Armeniern und setze sich sehr für eine Versöhnung ein, sagte Vize-Regierungssprecherin Christiane Wirtz am Montag in Berlin. Die Aufarbeitung der Geschichte könne jedoch nicht aufgezwungen werden und obliege Fachleuten, Historikern und den betroffenen Staaten, betonte Wirtz. Sie sei nicht Aufgabe der Bundesregierung. Auch die Äußerungen des Papstes zu Armenien habe die Bundesregierung nicht zu kommentieren.
Papst Franziskus hat die Verfolgung der Armenier 1915 und 1916 am Wochenende öffentlich als "ersten Genozid des 20. Jahrhunderts" bezeichnet. Die türkische Regierung reagierte scharf: Sie bestellte noch am Sonntag den Vatikanbotschafter in Ankara, Erzbischof Antonio Lucibello, ein. Die Türkei erkennt das Vorgehen gegen die Armenier bis heute nicht als Völkermord an und wehrt sich gegen die Verwendung des Begriffs.
Am 24. April steht anlässlich des 100. Jahrestages des Genozids eine Bundestagsdebatte auf der Tagesordnung. Neben dem Antrag von SPD und Union, der unter dem Titel "Erinnerung und Gedenken an die Vertreibung und Massaker an den Armeniern vor 100 Jahren" zusammengefasst ist, wird auch über einen Antrag der Linksfraktion zum "Völkermord an den Armeniern" und der deutschen Aufarbeitungsarbeit beraten. Der Antrag der Grünen zum "Völkermord" wird in den kommenden Tagen von der Fraktion verabschiedet und ebenfalls in der Sitzung am 24. April beraten.
Wie der "Tagesspiegel" Anfang April berichtet hatte, war ursprünglich auch im Antrag von SPD und Union das Wort "Völkermord" in der Überschrift enthalten, sei aber auf Druck der Fraktionsspitzen und des Auswärtigen Amtes gestrichen worden.
Die zuständigen Berichterstatter beider Fraktionen kritisierten im "Tagesspiegel" das Vorgehen. Er sei enttäuscht, dass anscheinend der Mut gefehlt habe, sagte der SPD-Abgeordnete Dietmar Nietan der Zeitung. Er halte es nicht für hilfreich, sich dem Druck aus der Türkei zu beugen und das Wort Völkermord nicht auszusprechen. Auch der CDU-Abgeordnete und Berichterstatter der Fraktion, Christoph Bergner, zeigte sich enttäuscht. Er sei überzeugt, "dass wir versuchen sollten, die Dimension, welche die Ereignisse vor 100 Jahren hatten, klar zu benennen".
Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir beklagte auf Anfrage, dass sich die Bundesregierung "aus falscher Rücksichtnahme auf Ankara weigert, den Völkermord klar und deutlich als solchen zu benennen". Das auch die Kollegen aus den Regierungsfraktionen in diesen Chor einstimmten, sei enttäuschend. "Sie spielen damit die deutsche Mitverantwortung in unwürdiger Weise herunter", bekräftigte Özdemir.
(KNA - pkoln-89-00175)
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