Salafisten werben junge Muslime in Flüchtlingsunterkünften an
KNA 24.09.2015
Von Johannes Nitschmann (KNA)
Düsseldorf (KNA) Anwerbeversuche von radikalen Salafisten in nordrhein-westfälischen Flüchtlingsunterkünften alarmieren die Sicherheitsbehörden. "Nach unseren Erkenntnissen versuchen extremistische Salafisten vermehrt, Kontakt zu muslimischen Flüchtlingen zu bekommen", sagt der Chef des NRW-Verfassungsschusses Burkhard Freier. In jüngster Zeit habe es Hinweise auf mindestens 30 propagandistische Aktionen gegeben.
Dabei bieten die Extremisten den Asylsuchenden Hilfe an. Häufig verteilen sie Lebensmittel und Textilien, aber auch den Koran - meist in fundamentalistischer Fassung. "Hier wird der Koran missbraucht", erklärt der Sprecher des NRW-Innenministeriums, Jörg Rademacher. Inzwischen seien die Leitungen der Unterkünfte angewiesen worden, die Salafisten aus ihren Einrichtungen zu verweisen und von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen. Zugleich solle auch die Polizei gerufen werden, um die Vorfälle zu registrieren und mögliche Straftaten festzustellen.
Für ihre Propaganda-Aktionen suchen sich die Salafisten offenbar gezielt Massenunterkünfte mit mehreren hundert Flüchtlingen aus, etwa in Wuppertal und Düsseldorf. Von ihrer Missionierung in der zur Notunterkunft umfunktionierten Sporthalle in Wuppertal-Küllenhahn stellten die Salafisten stolz ein Video ins Netz. Die Polizei bat die Staatsanwaltschaft um Rechtshilfe. Doch die Ermittler konnten keine Straftatbestände erkennen. "Es ist bei uns nicht verboten, Menschen zu helfen oder mit ihnen zu beten", sagt der Wuppertaler Oberstaatsanwalt Wolf-Tilman Baumert.
Dennoch hat die Behörde die Salafistenszene im bergischen Land seit Monaten im Visier. "Es gibt hier einen harten Kern", so Baumert. Rädelsführer sei der Prediger Sven Lau. Gegen ihn und acht weitere Personen hat die Staatsanwaltschaft kürzlich Angeklagte erhoben, weil sie mehrfach als "Scharia-Polizei" durch die Wuppertaler Innenstadt patrouillierten, um nächtliche Discobesucher von Tanzveranstaltungen abzuhalten. Wuppertal erklärten sie auf gelben Flyern zur "Scharia-kontrollierten Zone" in der es weder Alkohol noch Glücksspiel, Musik, Pornografie, Prostitution oder Drogen geben dürfe.
Die selbst ernannten Sittenwächter haben nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden nun die Flüchtlingsunterkünfte zu ihrem bevorzugten Aktionsfeld erklärt. Der islamistische Prediger Pierre Vogel fordert seine Anhänger im Internet dazu auf, muslimische Asylsuchende zu missionieren. "Geht zu ihnen hin, seid freundlich und betet mit ihnen!" Viele Herzen drohten verloren zu gehen, weil die Flüchtlinge aus der arabischen Welt hier von Nicht-Muslimen warmherzig empfangen würden, warnt Vogel. "Lasst euch in der Hilfsbereitschaft nicht von den anderen übertreffen."
Vogel empfiehlt seinen Anhängern, in die Flüchtlingseinrichtungen nicht nur einen Kompass für die Gebetsrichtung mitzunehmen, sondern auch Kopfbedeckungen für die muslimischen Frauen. Es sei unwürdig, dass sie hier ihr Haupt häufig mit Toilettenpapier bedecken müssten.
"Uns bereitet Sorge, dass besonders Jugendliche für die angebliche Hilfe ansprechbar sind", erklärt Verfassungsschutz-Chef Freier. Diese jungen Menschen befänden sich durch die Flucht in einer Ausnahmesituation. Sie suchten Schutz und Anschluss an die Gesellschaft. "Das wollen Salafisten ausnutzen", so Freier. NRW ist unter den 16 Bundesländern eine Hochburg der Islamisten. Über 2.100 Salafisten hat der Verfassungsschutz landesweit registriert. Bundesweit werden ihnen 7.900 Anhänger zugerechnet. Über 20 der 850 Moscheen an Rhein und Ruhr stehen wegen salafistischer Bestrebungen im Visier der Sicherheitsbehörden.
Zwar seien die Anwerbe-Aktionen bisher noch nicht flächendeckend, so Freier. Aber es sei damit zu rechnen, dass die Salafisten mit steigenden Flüchtlingszahlen ihre Aktivitäten im Umfeld von Flüchtlingsheimen verstärkten. Deshalb würden die Mitarbeiter der Einrichtungen derzeit geschult. Freier: "Sie sollen erkennen können, wenn Salafisten die Situation der Flüchtlinge für ihre Zwecke auszunutzen versuchen."
(KNA - pktmn-89-00177)
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