Boko Harams langer Atem
KNA 19.11.2015
Boko Harams langer Atem
Terrorgruppe wütet trotz Festnahmen und hohem Verteidigungsetat
Von Katrin Gänsler (KNA)
Abuja (KNA) Die Terrormiliz Boko Haram, übersetzt etwa "Westliche Bildung ist Sünde", hat in dieser Woche einmal mehr ihre Macht demonstriert. Am Mittwochabend tötete sie bei Anschlägen in der nordnigerianischen Wirtschaftsmetropole Kano mindestens 15 Menschen; 57 wurden verletzt. Zwei jugendliche Selbstmordattentäterinnen hatten sich in die Luft gesprengt. Offenbar ungehindert konnten Kämpfer der Gruppe, die sich 2002 gegründet hatte, bereits einen Tag zuvor auf einem Marktplatz in der Provinzhauptstadt Yola im Bundesstaat Adamawa 34 Menschen umbringen.
In beiden Fällen dürften die Tatorte - belebte Märkte - und die Tatzeit in den frühen Abendstunden strategisch gewählt sein. Um diese Uhrzeit machen sich besonders viele Menschen auf den Heim-weg, kaufen ein, warten auf Minibusse und Sammeltaxen. Bekannt hat sich Boko Haram zwar noch nicht zu den erneuten Anschlägen. Alles deutet aber auf die Terroristen hin. Nach den Angriffen in Kano betonte Nigerias Präsident Muhammadu Buhari am späten Mittwochabend, man wolle alles tun, um den Terror so schnell wie möglich zu beenden.
Das verkünden auch Armeesprecher regelmäßig. Bereits seit Wochen suchen Soldaten vor allem im Bundesstaat Borno, der Heimat der Terroristen, nach Waffenlagern, Verstecken, Autos und Mopeds sowie nach den Geiseln, die die Gruppe in den vergangenen zwei Jahren genommen hat. Mehrfach ist es nach Angaben des Militärs auch zu Verhaftungen gekommen; überprüfen lässt sich das jedoch nur schwer. Trotzdem morden die Terroristen weiter. Dabei hat Nigeria, mit 180 Millionen Einwohnern größter Staat Afrikas, die Verteidigungsausgaben in den vergangenen Jahren konstant erhöht. 2013 lag der Etat nach Informationen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri bei umgerechnet knapp 1,7 Milliarden Euro - und war damit der höchste aller Zeiten.
Gleichzeitig starben im Zeitraum von 2011 bis 2014 nach Schätzungen der Online-Zeitung "Premium Times" mindestens 29.000 Menschen. Einer der Gründe dafür ist nach Einschätzung von Ex-General Ishola Williams weiterhin fehlendes Vertrauen in Sicherheitskräfte. Noch immer erhielten diese zu wenig Informationen aus der Bevölkerung, kritisierte er laut "Premium Times". Das prangert auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International seit Jahren an. Ein weiteres Problem ist, dass die Soldaten zu wenig für den Kampf gegen Terroristen geschult werden.
Zu schaffen macht der Region auch die Ausweitung der Anschläge auf die Nachbarländer, die in diesem Jahr massiv zugenommen haben. "Im Tschad war die Panik vor allem direkt nach den Atten-taten im Juni und Juli spürbar. Die Leute hatten Angst vor neuen Bombenanschlägen, aber auch davor, mit Boko Haram identifiziert zu werden", sagt Vincent Hendrickx, Leiter des Misereor-Büros in N'Djamena, der Hauptstadt des Tschad. Das habe den Alltag langfristig verändert. Beispielsweise sei das Tragen der Burka verboten worden, so Hendrikx. Seit Inkrafttreten des Verbots seien zehn Frau-en verhaftet und zu einem Bußgeld von umgerechnet etwa 150 Euro verurteilt worden. Heute sehe man keine einzige Frau mit Burka mehr. Verschärft worden seien außerdem die Sicherheitskontrollen vor großen Hotels sowie Moscheen.
Teilweise beruhigt hat sich die Lage nach Ansicht des katholischen Priesters Patrice Belem im Nachbarland Niger. Dort war es Anfang Februar rund um die Stadt Diffa im Südosten zu schweren Kämpfen gekommen. Laut Belem, der in der Grenzstadt Koni im Südwesten des Landes lebt, hätten viele Menschen inzwischen nicht mehr per se Angst vor neuen Anschlägen. Das könne auch an den recht gut gesicherten Grenzen liegen. Eine weitere positive Entwicklung hat der Geistliche im Niger beobachtet. Terroristen hätten hier keinen Rückhalt: "Die Bevölkerung unterstützt Boko Haram nicht", sagt Belem.
(KNA - plllt-89-00084)
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