US-Präsident warnt vor Missbrauch von Religion als Waffe
KNA 06.02.2015
Von Thomas Spang (KNA)
Washington (KNA) Zur Begrüßung faltet der Präsident die Hände, hebt sie zum "Namaste-Gruß" und verbeugt sich in Richtung des Dalai Lama, der wenige Meter entfernt an einem Tisch sitzt. Eine Geste, die das Verhältnis des Weißen Hauses zu dem geistlichen Führer der Tibeter unmissverständlich deutlich machte. Als er den buddhistischen Mönch dann auch noch als "guten Freund" in der amerikanischen Hauptstadt willkommen heißt, dürfte für die Chinesen das Maß endgültig voll gewesen sein.
Peking hatte wiederholt vor einer solche Begegnung gewarnt, weil die kommunistische Führung in dem Dalai Lama den Führer einer separatistischen Bewegung sieht, die nach Unabhängigkeit von China strebt. Während Obama die drei früheren Zusammentreffen bewusst in einem privaten Rahmen hielt, trat er dieses Mal vor 3.600 geladen Gästen des ökumenischen nationalen Gebetsfrühstücks ganz offiziell mit dem als Ehrengast geladenen Dalai Lama auf.
Das geistliche Oberhaupt der Tibeter sei ein "kraftvolles Beispiel dafür, was es heißt, Anteilnahme zu leben", lobte der Präsident den Dalai Lama, den er zum Gegenbild von Religionsführern stilisierte, die Glauben "für ihr mörderisches Tun in Geiselhaft nehmen." In seiner 25-minütigen Rede bei der Washingtoner Traditionsveranstaltung am ersten Donnerstag im Februar ging er hart mit den Vertretern des sogenannten "Islamischen Staats" ins Gericht, die kürzlich einen jordanischen Piloten bei lebendigem Leib verbrannt hatten.
Die Islamisten verträten "einen brutalen, bösartigen Todeskult, der im Namen von Religion barbarische Akte verübt". Der Glaube werde "verdreht und verstellt", um als Waffe gebraucht zu werden. "Von einer Schule in Pakistan bis in die Straßen von Paris haben wir Gewalt von denen gesehen, die behaupten im Namen von Religion für ihren Glauben einzutreten". Tatsächlich hätten sie diese nur als Rechtfertigung für Barbarei missbraucht.
Der Beifall für den Präsidenten fiel verhaltener aus, als Obama erklärte, dieser Missbrauch von Reli-gion sei nicht auf den Islam beschränkt. "Erinnern wir uns, dass während der Kreuzzüge und Inquisition Menschen fürchterliche Taten im Namen Christi begangen haben." In den USA seien Sklaverei und Diskriminierung oft genug unter Berufung auf die Bibel gerechtfertigt worden. „Es gibt eine Nei-gung in uns, die unseren Glauben pervertieren und verstellen kann."
Auch geographisch sei der Missbrauch von Religion nicht begrenzt. Er reiche von fürchterlichen Verbrechen in Afrika bis zu Antisemitismus in Europa. In Zeiten der sozialen Medien sei es sehr viel schwieriger geworden, gegen die globale Verbreitung von Hass vorzugehen. "Aber als Gläubige ist es uns geboten, diejenigen zurückzudrängen, die versuchen, Religion für nihilistische Zwecke zu missbrauchen. Kein Gott erlaubt Terror, kein Missstand rechtfertigt es, unschuldige Leben zu nehmen".
An die Führer aller Religionsgemeinschaften appellierte Obama "mehr Bescheidenheit und Zweifel" zu demonstrieren, statt Selbstgerechtigkeit zu üben. Die Idee müsse zurückgewiesen werden, "dass Gott nur zu uns und nicht zu anderen spricht".
Der Präsident lobte die Weisheit der Gründungsväter der Vereinigten Staaten, die das fundamentale Recht auf Religionsfreiheit in die Verfassung geschrieben hätten. Nationen seien stärker, wenn sie alle Glaubensüberzeugungen ihrer Bürger in gleicher Weise wertschätzten. Dafür sei es auch wichtig, eine klare Trennung zwischen Staat und Religion zu haben. "Die USA sind eines der religiösesten Länder der Welt, viel religiöser als die meisten entwickelten Länder, weil unsere Gründer diese Trennung von Staat und Kirche wollten."
(KNA - pkmkp-89-00191)
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