Papst zu Armeniermorden: Konsens "im Geist der Wahrheit" finden
KNA 10.04.2015
Vatikanstadt (KNA) Papst Franziskus hat zu einem Konsens bei der Bewertung der Armeniermassaker vor 100 Jahren aufgerufen. Nötig sei Liebe zur Wahrheit und zur Gerechtigkeit, sagte er am Donnerstag bei einer Audienz für den Patriarchalsynod der armenisch-katholischen Kirche unter der Leitung von Patriarch Nerses Bedros XIX. Tarmouni im Vatikan. In diesem Geist müsse es darum gehen, "jede Wunde zu heilen und zu konkreten Gesten der Versöhnung und des Friedens zwischen den Nationen zu ermuntern, denen es noch nicht gelingt, zu einem vernünftigen Konsens über die Deutung dieser traurigen Angelegenheiten zu finden", so Franziskus vor den armenischen Bischöfen.
Anfang Juni 2013 hatte der Papst bei einem inoffiziellen Termin die Morde der osmanischen Türken an den Armeniern während des Ersten Weltkriegs als "ersten Völkermord der Geschichte" bezeichnet. Daraufhin folgten heftige Proteste der Türkei, die sich weigert, von einem Genozid zu sprechen. Bei den Todesmärschen und Massakern ab 24. April 1915 wurden damals nach Schätzungen bis zu 1,5 Millionen Menschen getötet. Im Juni 2013 hatte Franziskus die türkischen Gräueltaten bei einem nicht offiziellen Termin als "ersten Völkermord der Geschichte" bezeichnet. Das führte zu heftigen Protesten Ankaras.
In ihrem Leiden hätten die Armenier eine Teilhabe an Leiden und Auferstehung Christi, so der Papst. Es sei zwar wichtig, an die Vergangenheit zu erinnern, aber um daraus neue Kraft zu ziehen, unterstrich Franziskus. "Wir werden für die Söhne und Töchter eures geliebten Volkes beten, die vor 100 Jahren zu Opfern geworden sind", sicherte er den Bischöfen zu.
Franziskus erinnerte auch an die heutige Christenverfolgung im Nahen Osten. Ähnlich wie im einst armenischen Anatolien gerate dort heute der Verbleib der Christen insgesamt in Gefahr. Besonders gelte das etwa für das syrische Aleppo, das einst ein "sicherer Hafen" für die wenigen Überlebenden der Armenien-Tragödie gewesen sei.
Als erste zum Christentum gekommene Nation besäßen die Armenier ein reiches kulturelles Erbe und die Fähigkeit, sich nach vielerlei Verfolgungen wieder zu erheben, sagte der Papst. Es gebe eine Macht des Bösen in der Welt, das andere Menschen die Vernichtung des eigenen Bruders planen lasse. Dem könne die Glaubensstärke der Verfolgten gegenüberstehen. "Nicht wenige Söhne und Töchter der armenischen Nation waren imstande, noch im Moment des Blutvergießens oder des Sterbens während des unendlichen Exodus, zu dem sie gezwungen waren, den Namen Christi auszusprechen."
Am Sonntag feiert Papst Franziskus gemeinsam mit armenischen Katholiken eine Messe im Petersdom. Daran soll auch der armenische Präsident Serge Sarkissian teilnehmen. Beobachter setzen die Feier mit dem 100. Jahrestag des Mordbeginns in Verbindung, der vom Vatikan allerdings nicht in Zusammenhang mit dem Gottesdienst erwähnt wird.
(KNA - pkokt-89-00157)
Auf unserer Hauptseite finden Sie weitere Informationen zu den Themen interreligiöser Dialog und christlich islamischer Dialog.