Fanal "Charlie Hebdo" Der Niger hat mit vielen Problemen zu kämpfen
KNA 21.01.2015
Von Joachim Heinz (KNA)
Niamey/Bonn (KNA) Trügerische Ruhe nach dem Sturm? "Die Lage ist weit davon entfernt, unter Kontrolle zu sein", findet der katholische Alt-Erzbischof von Niamey, Michel Christian Cartateguy. Ein paar Tage ist es her, da setzten wütende Demonstranten in der Hauptstadt des Niger und andernorts Kirchen in Flammen und plünderten von Christen geführte Bars und Restaurants. Mindestens zehn Menschen wurden getötet. Auslöser waren Mohammed-Karikaturen in der jüngsten Ausgabe des französischen Magazins "Charlie Hebdo".
Bilder des Propheten sind im Islam verboten. Das brachte Muslime nicht nur im mehrheitlich islamischen Niger, sondern auch in anderen früheren französischen Kolonien auf dem afrikanischen Konti-nent in Rage. Doch die Proteste in Mali, dem Senegal und Mauretanien verliefen friedlich. Warum die Eskalation im Niger, einem Land, das hierzulande sonst kaum in den Schlagzeilen steht? Die Ausschreitungen auf einen simplen Konflikt zwischen Christentum und Islam zu reduzieren, greift jedenfalls zu kurz.
Das zeigt schon ein Blick in die jüngere Vergangenheit. Bereits im Sommer vergangenen Jahres kam es zu Massenprotesten im Niger - aus ganz anderen Gründen. Damals ging es um die Inhaftierung von Mitgliedern der Opposition. Es gärt in dem Land, das mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Jahreseinkommen von umgerechnet rund 517 Euro zu den ärmsten Staaten der Welt gehört. Zwar leben nur 17 Millionen Einwohner auf einem Territorium, das ungefähr der vierfachen Größe Deutschlands entspricht. Aber ein Bevölkerungszuwachs von 400 Prozent in den vergangenen 50 Jahren stellt die Politik vor gewaltige Herausforderungen.
Woher können die nötigen Summen für Entwicklung und Infrastruktur kommen? Als Erfolg wurde im vergangenen Jahr ein neuer Vertrag mit dem französischen Konzern Areva zum Uranabbau gefeiert.
Statt 5,5 Prozent Steuern zahlen die Franzosen nun 12 Prozent für die Erträge aus den Minen. Die einstige Kolonialmacht hat nach wie vor große Interessen in der Region - und ist auch in einige der zahlreichen Konflikte in den Nachbarstaaten involviert. Als sich 2012 Islamisten den aufständischen Tuareg im Norden Malis anschlossen, waren es französische Truppen, die im Rahmen der "Operation Serval" die Initiative ergriffen.
In Burkina Faso, ebenfalls ein Nachbarstaat des Niger und französische Ex-Kolonie, stürzte im Herbst vergangenen Jahres der seit fast drei Jahrzehnten amtierende Präsident Blaise Compaore. Vollends unübersichtlich ist die Lage im von Machtkämpfen zerrissenen Libyen. Am bedrohlichsten nehmen sich derzeit jedoch die Aktivitäten der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram in Nigeria aus.
Entlang der fast 1.500 Kilometer langen gemeinsamen Grenze strömen immer mehr Menschen in den Niger. Unter den rund 100.000 Flüchtlingen, die in der südöstlichen Region Diffa Schutz gefunden hätten, befänden sich sicher auch Sympathisanten der Terrorgruppe, räumte der nigrische Kommunikationsminister Yahouza Sadissou Madobi gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) ein.
Mehrere westafrikanische Staatschefs wollen nun mit vereinten Kräften militärisch gegen die Gruppe vorgehen. Aber ob dieser Schritt sinnvoll ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Sadissou appelliert an die internationale Staatengemeinschaft, sich für ein friedliches Zusammenleben der Religionen einzusetzen. Außerdem gelte es, deutlich zu machen, "dass der Islam eine Religion des Friedens ist, der jede terroristische Aktivität ablehnt".
Ähnlich äußerte sich der Generalsekretär des nigrischen Islamverbandes, Boubacar Seydou Toure. Der Direktor der Großen Moschee in Niamey nannte die Karikaturen eine "unerträgliche Provokation", verurteilte jedoch die Ausschreitungen. Diese liefen dem Islam zuwider. Man dürfe Schlechtes nicht mit Schlechtem vergelten.
Auch Papst Franziskus blickte am Mittwoch bei seiner Generalaudienz im Vatikan Richtung Niger. Er rief die Bevölkerung zu gegenseitigem Respekt und einem friedlichen Zusammenleben auf. "Bitten wir Gott, dass religiöse Gefühle niemals Anlass zu Gewalt und Ausschreitungen und Zerstörungen seien." Ein frommer
Wunsch in unsicheren Zeiten.
(KNA - pklml-89-00010)
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