Nestorianische "Kirche des Ostens"
KNA 20.03.2015
Bonn (KNA) Die nestorianische "Kirche des Ostens" gehört zu den ältesten christlichen Denominationen überhaupt. Ihr Patriarch gebot über ein weit größeres Gebiet als der Papst. Schon seit den Anfängen des mesopotamischen Christentums im zweiten Jahrhundert bildete der Euphrat, der von der heutigen Nordost-Türkei bis nach Basra am Persischen Golf verläuft, eine kulturell wie sprachlich fast unüberwindliche Grenzlinie zwischen dem Römischen und dem Großiranischen Reich. Sie bestand bis zum siebten Jahrhundert - als der Siegeszug des Islam über die Byzantiner gleichsam noch einen weiteren kulturellen "Puffer" zwischen die Kirche des Westens und die des Ostens setzte.
Zum anderen trieben politische Entwicklungen im Iran sowie der christologische Streit auf dem Konzil von Ephesus 431, das die Lehren des Nestorius verurteilte, den Keil der Häresie zwischen die beiden Kirchen. 486 formulierte die Kirche des Ostens, die bis heute dogmatisch eigentlich fälschlicherweise als "nestorianisch" bezeichnet wird, ein eigenes Glaubensbekenntnis. Die gegenseitigen Anathemata hoben die römisch-katholische und die Kirche des Ostens erst zwischen 1994 und 1997 auf.
Aus dem Konflikt um die Natur(en) Christi entstanden drei "Kirchenfamilien" mit je eigenem Credo: neben der Römischen Reichskirche und den Miaphysiten - den Armeniern, den ägyptischen Kopten, den Äthiopiern und den syrisch-orthodoxen "Jakobiten" - auch die Kirche des Ostens.
Schon Ende des dritten Jahrhunderts entstand ein dauerhafter Kontakt zwischen Basra und den Thomas-Christen im indischen Kerala, und nestorianische Missionare drangen erfolgreich auf die Arabische Halbinsel, zu den Steppenvölkern Zentralasiens und über die Seidenstraße bis nach China vor. Im Hoch- und Spätmittelalter waren 12 bis 16 Prozent der geschätzten 50 bis 60 Millionen Christen weltweit Nestorianer. Bis zum 14. Jahrhundert war sie mit rund 200 Bistümern die erfolg-reichste Missionskirche überhaupt.
Dabei war die "Kirche des Ostens" niemals Staatskirche. Zweimal, Mitte des 7. und an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert, stand sie in Mesopotamien an der Schwelle dazu. Doch beide Male schlug das Pendel in Richtung Islam aus. Es begann eine lange Zeit von Verfolgungen, inneren Spaltungen und Exilbewegungen. Die Massaker des Timur Lenk (1336-1405), innere Querelen und eine teilweise Union der Nestorianer mit Rom und zehrten schließlich an der Substanz.
(KNA - pknmk-89-00036)
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