Theologe hofft auf Modernisierung des Islam in Deutschland
KNA 18.11.2015
Bonn (KNA) Nach Einschätzung des islamischen Theologen Erdal Toprakyaran könnte Deutschland bei einer Modernisierung des Islam eine wichtige Rolle spielen. Das Land sei sehr bedeutend für die Theologie, sagte er der in Bonn erscheinenden "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" (Donnerstag). "Es ist ein fruchtbarer Boden für Erneuerung. Darauf hoffe ich, trotz der Rückschläge." In Deutschland seien "mindestens 50 Prozent" der Muslime für "eine weltoffene, demokratiebejahende Theologie".
Es müsse alles dafür getan werden, Terrormilizen wie dem "Islamischen Staat" (IS), Boko Haram oder den Taliban "einen anderen Islam" entgegen zu setzen. Eine "tolle Theologie" könne etwas be-wegen, so Toprakyaran, der das Tübinger Zentrum für islamische Theologie leitet. "Man sieht am IS, wie sich eine primitive Theologie rasant verbreiten kann. Warum sollten so etwas die progressiven Kräfte nicht schaffen, wenn sie sich vernetzen?"
Durch den Zusammenbruch staatlicher Strukturen im Nahen Osten sei in vielen Ländern auch das kulturelle Gedächtnis verloren gegangen, beklagte Toprakyaran. "Die Diktatoren haben nicht mehr in die Wissenschaft und in die Gelehrsamkeit investiert, die vorher in der islamischen Welt sehr gepflegt wurde. Dieses Vakuum macht es dem IS leicht, Anhänger zu gewinnen."
Um Religion gehe es den Extremisten nicht in erster Linie, sagte der Theologe - "sondern um ganz weltlichen Einfluss und Macht". In den letzten 100 Jahren habe die Fixierung auf Gewalt in vielen islamisch geprägten Ländern zugenommen. Dies sei nicht allein eine Frage des materiellen Wohl-stands, wie das Beispiel Saudi-Arabien zeige. "In diesem jungen Land fehlen der kulturelle Reichtum und das kulturelle Gedächtnis."
(KNA - pllls-89-00030)
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