Islamwissenschaftler warnen vor Gewaltspirale
KNA 17.11.2015
Bonn (KNA) Der Islamwissenschaftler Michael Lüders hat die Anschläge von Paris als eine "neue Dimension des Terrors" bezeichnet. Erstmals sei eine europäische Metropole gezielt von Selbstmordattentätern "heimgesucht" worden, die möglichst viele Menschen hätten töten wollen, sagte Lüders am Dienstag dem Fernsehsender Phoenix. "Aber wir sollten uns sehr davor hüten, den Terroristen den Gefallen zu tun, mit einer Kriegsrhetorik nun aufzurüsten."
Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) hatte sich zu den Anschlägen in der französischen Hauptstadt bekannt, bei denen am Freitagabend mehr als 130 Menschen getötet und über 350 teils schwer verletzt worden waren.
Auf eine sich hochschraubende Spirale der IS-Gewalt hatte bereits der Orientalist und Schriftsteller Navid Kermani in seiner Dankesrede zum Friedenspreis des Deutschen Buchhandels Ende Oktober hingewiesen: Es sei "propagandistische Logik" des IS, "dass er mit seinen Bildern eine immer höhere Stufe des Horrors zündet, um in unser Bewusstsein zu dringen", warnte der Islamwissenschaftler in Frankfurt. Erst seien einzelne christliche Geiseln geköpft worden, danach ganze Gruppen. "Als wir die Enthauptungen von unseren Bildschirmen verbannten, fackelte der IS die Bilder aus dem Nationalmuseum von Mossul ab. Als wir uns an zertrümmerte Statuen gewöhnt hatten, begann der IS, ganze Ruinen-städte wie Nimrod und Niniwe zu planieren", sagte Kermani. Die Meldungen über geschundene Menschen und zerstörte Kulturgüter seien immer heftiger geworden.
Und: "Palmyra wird nicht auf einmal gesprengt, vielmehr Bauwerk und Bauwerk gesprengt, im Abstand von Wochen, um jedes Mal ein neue Nachricht zu produzieren." Das werde nicht aufhören. "Der IS wird den Horror so lange steigern, bis wir in unserem europäischen Alltag sehen, hören und fühlen, dass dieser Horror nicht von selbst aufhören wird", betonte Kermani in seiner Rede. Islamwissenschaftler Lüders warnte am Dienstag vor einem verstärkten militärischen Eingreifen des Westens gegen den IS in Syrien und dem Irak. "Der IS hat eine klare Strategie, sucht den Showdown mit den westlichen Gesellschaften und will, dass wir Geiseln der Angst werden."
(KNA - plllr-89-00039)
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