Papst Franziskus ruft in Sarajevo zu Frieden und Versöhnung auf
KNA 08.06.2015
Von Johannes Schidelko (KNA)
Sarajevo (KNA) Der erste Papstbesuch in Sarajevo galt vor 18 Jahren einer zerstörten Stadt in einem zerrissenen Land. Am Samstag kam Papst Franziskus in eine größtenteils wiederaufgebaute Metropole eines zweigeteilten Staates, in dem die Wunden allmählich vernarben. Weiterhin herrschen allerdings viel Misstrauen und Pessimismus, weil Perspektiven für die Zukunft fehlen. Eindringlich forderte das Kirchenoberhaupt die verschiedenen Ethnien und Religionen zu Zusammenarbeit und Dialog auf - die Kernbotschaft seiner achten Auslandsreise. Nachdem die schwarzen Wolken des Sturms endlich abgezogen seien, hoffe er, "dass nach dem frostigen Winter der Frühling aufblühe".
Franziskus sparte nicht mit Lob und Zuversicht für seine Gastgeber. Er sei froh, dass die Stadt wieder zu einem Ort des Dialogs und des friedlichen Zusammenlebens geworden sei. Die traditionell freundschaftlichen Beziehungen zwischen katholischen Kroaten, orthodoxen Serben und muslimischen Bosniern, die der Krieg so brutal zerstört habe, müssten wiederhergestellt werden - als Vorbild und Modell für die ganze Welt. Denn sie zeigten, dass ein Pluralismus der Kulturen und Traditionen möglich sei. Sarajevo am Kreuzungspunkt von Kulturen, Nationen und Religionen müsse immer neue Brücken bauen und die bestehenden pflegen.
Der Papst trat seine Reise unter starken Sicherheitsvorkehrungen an. Zwar hatte es im Vorfeld keine Warnungen gegeben; dennoch kreisten drei Militärhubschrauber ständig im Tiefflug über dem Flughafen und dann entlang der Fahrtstrecke des Papstes. Auf den Dächern waren Scharfschützen postiert. Rund 4.000 Polizisten waren im Einsatz.
Schon die kurze Fahrt in die Innenstadt machte deutlich, dass die Kriegsschäden noch nicht ganz beseitigt sind. Immer wieder finden sich Ruinen, viele Häuserwände weisen Einschusslöcher auf. Allerdings sind neben alten Plattenbauten aus kommunistischer Zeit inzwischen viele moderne Gebäude aus Glas, Stahl und Beton errichtet. Dazwischen erinnern jedoch allenthalben Friedhöfe und Gräber in Parks und Gärten an die vielen tausend Toten, die während der Belagerungszeit innerhalb der Stadt beigesetzt werden mussten. Staatsführung und Kirche bereiteten dem Papst einen freundlichen Empfang - freilich nach einem komplizierten Protokoll. Franziskus wurde von den drei Mitgliedern jenes Präsidiums begrüßt, das nach dem Dayton-Friedensvertrag von 1995 die Funktion des Staatsoberhaupts innehat, je ein Vertreter der Kroaten, Serben und Bosnier. Die Begrüßungsrede hielt der Serbe Mladen Ivanic, der die Gruppe derzeit turnusgemäß leitet. Seine Erwartungen an den Papst waren klar. Hatte Franziskus betont, dass Bosnien-Herzegowina ein integraler Teil Europas sei, so ging Ivanic noch einen Schritt weiter: Er hoffe, dass die Tür der EU allen südosteuropäischen Staaten offenstehe.
Die Öffentlichkeit in Sarajevo nahm wenig Notiz vom Papstbesuch, doch der Empfang durch die katholischen Gläubigen war umso herzlicher. Mit langem Applaus hießen rund 65.000 Menschen den Papst im Kosevo-Stadium willkommen. Bereits bei der Begegnung mit der politischen Führung des Landes hatte er Religionsfreiheit und gleiche Rechte für alle Bürger angemahnt - und damit den vielfach benachteiligten Katholiken aus der Seele gesprochen.
Die Messe fand bei sommerlichen Temperaturen am gleichen Ort statt, an dem bereits Johannes Paul II. 1997 bei eisigem Schneesturm zwischen den Trümmern zelebriert hatte. "Mir vama" (Friede sei mit dir) skandierten die Gläubigen das Motto dieses Papstbesuchs. "Frieden", das war auch das Thema der Predigt. In der Stadt, in der vor 100 Jahren der Erste Weltkrieg seinen Ausgang nahm, warnte Franziskus vor einem Dritten Weltkrieg - der bereits jetzt "stückweise" durch die vielen bewaffneten Konflikte geführt werde.
Manche Menschen schürten absichtlich ein Kriegsklima und setzten auf einen Zusammenprall von Kulturen und Zivilisationen. Krieg bedeute aber immer Zerstörung, Leid, Flüchtlinge, Vertreibung und "viele zerbrochene Leben". Und unter dem Applaus der Anwesenden wiederholte Franziskus von Sarajevo aus den Ruf seiner Vorgänger: "Nie wieder Krieg!"
(KNA - pkqkq-89-00045)
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