Vatikan und "Staat Palästina" unterzeichnen Grundlagenvertrag
KNA 26.06.2015
Von Johannes Schidelko (KNA)
Vatikanstadt (KNA) Nach sechsjährigen Vorbereitungen haben der Heilige Stuhl und der "Staat Palästina" am Freitag einen Grundlagenvertrag unterzeichnet. Das Abkommen, unter das die Außenminister beider Seiten im Apostolischen Palast ihre Unterschriften setzten, regelt Rechte und Freiheiten der Kirche, ihres Personals und ihrer Einrichtungen als Rechtspersonen in den Palästinensergebieten. Es garantiert die Aktivitäten der Kirche im Sozial-, Bildungs- und Caritas-Bereich und schreibt ihre Eigentumsrechte samt Steuerbefreiung fest. Weiter geht es um den Status der Heiligen Stätten. Mit Nachdruck bekräftigt der Text den Wunsch nach einer Friedenslösung in Nahost, mit dem Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung.
Der Wortlaut des Vertrages, der aus einer Präambel und 32 Artikeln in acht Kapiteln besteht, wurde bislang nicht veröffentlicht. Er fußt auf einer Prinzipienerklärung, die der Heilige Stuhl im Februar 2000 damals noch mit der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO vereinbart hatte. Das neue Abkommen soll in Kraft treten, sobald beide Seiten schriftlich dessen Übereinstimmung mit ihren Rechtsnormen bestätigt haben, heißt es in einem knappen Vatikan-Kommunique. Offenbar eine Formsache.
Aufschluss über Inhalt und Stellenwert des Abkommens geben unterdessen die Reden, die die beiden Unterzeichner, Erzbischof Paul Richard Gallagher und Riad Al-Malki, zu diesem Anlass hielten. Beide verwiesen auf den Umstand, dass der Heilige Stuhl dieses Abkommen mit dem "Staat Palästina" schließe, dem die UN-Vollversammlung 2012 per Resolution einen Beobachterstatus bestätigt hatte.
Beide werteten das Abkommen als Beitrag für Frieden und Gerechtigkeit in der Region mit dem Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung - wobei freilich unterschiedliche Akzente deutlich wurden. Gallagher äußerte den Wunsch, dadurch auch "den lange andauernden israelisch-palästinensischen Konflikt, der weiterhin auf beiden Seiten Leiden verursacht, in definitiver Weise zu beenden". Der Friedensprozess könne nur durch direkte Verhandlungen zwischen beiden Seiten vorankommen. Al-Malki berief sich auf das Recht des palästinensischen Volkes "auf Selbstbestimmung, auf Freiheit und Würde eines eigenen unabhängigen Staates, frei von Ketten der Besatzung" - in Frieden und Sicherheit und "auf Grundlage der Grenzen von 1967".
Der Vertrag werde die aktuelle Lage der katholischen Kirche, ihre Rechte, Privilegien, Immunität und Bewegungsfreiheit bestätigen und verbessern, unterstrich der palästinensische Minister. Das Abkommen trage dem besonderen Status von Palästina als Geburtsstätte des Christentums durch "neue und beispiellose Bestimmungen" Rechnung. Sein Land und den Vatikan verbänden "gemeinsame Werte von Freiheit, Würde, Toleranz, von Koexistenz und der Gleichheit aller". Das sei wichtig in einem Moment, in dem "Extremismus, barbarische Gewalt und Ignoranz das soziale Geflecht und die kulturelle Identität der Region und des menschlichen Erbes bedrohen". Der Staat Palästina wiederhole vor diesem Szenario seine Verpflichtung zum Kampf gegen Extremismus und zur Förderung von Toleranz, Gewissens- und Religionsfreiheit sowie zur Bewahrung der Rechte aller seiner Bürger.
Gallagher äußerte sich erfreut darüber, dass das Abkommen der Kirche und ihren Institutionen rechtliche Garantien biete. Der Vertrag könnte damit auch ein Modell für andere arabische Staaten mit islamischer Mehrheit werden - in einer Region, in der Christen in einigen Ländern Verfolgungen ausgesetzt seien.
Wie konkret das Abkommen die Lage der Christen im Heiligen Land verbessert, bleibt abzuwarten. Ihr Exodus aus den alten Stammgebieten, auch aus Jesu Geburtsstadt Bethlehem, hält bislang an. Freilich ist in jedem Fall diese Rechtsgrundlage notwendig, auf die sich die Katholiken nun berufen können - und für die sie im Vatikan einen Verbündeten haben. Postwendende Kritik kam aus Israel. Das Außenministerium äußerte sein Bedauern über die "offizielle Anerkennung der Palästinensischen Autoritäten als Staat" durch den Vatikan. Dieser einseitige Schritt sei voreilig und einem Friedensprozess nicht förderlich.
(KNA - pkqmq-89-00126)
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