Verfassungsgericht betont Selbstbestimmungsrecht der Religionen
KNA 22.01.2015
Karlsruhe (KNA) Das Bundesverfassungsgericht hat das Selbstbestimmungsrecht von Religionsgemeinschaften betont, eigene Regeln für Mitgliedschaft und Austritte zu formulieren. In einer am Donnerstag veröffentlichten Kammerentscheidung gaben die Karlsruher Richter der jüdischen Gemeinde Frankfurt Recht, die mit zwei Zugezogenen darüber gestritten hatte, wann und wie eine Mitglied-schaft zustande kommt. Zuvor hatte das Bundesverwaltungsgericht gegen die Gemeinde und im Sinne des aus Frankreich nach Frankfurt umgezogenen Paares entschieden.
Die Karlsruher Verfassungsrichter hoben dieses Urteil nun auf, weil dabei die grundgesetzlich garantierte Bedeutung und Tragweite des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften nicht angemessen berücksichtigt worden sei.
Die Satzung der jüdischen Gemeinde Frankfurt sieht vor, dass alle Personen jüdischen Glaubens mit Wohnsitz in Frankfurt Mitglieder der Gemeinde werden, wenn sie dem nicht innerhalb von drei Monaten nach ihrem Zuzug schriftlich widersprechen. Gegen diese Regelung klagte das jüdische Paar, weil es zwar beim Zuzug im Einwohnermeldeamt als Religion "mosaisch" angegeben hatte, dies aber nicht als Beitrittserklärung zur konkreten Gemeinde verstanden wissen wollte. Der Mitgliedschaft hatten die beiden dann sieben Monate nach dem Wohnortwechsel in einem Schreiben an die jüdische Gemeinde formal widersprochen. Das Paar hatte dabei auch darauf verwiesen, einer "liberalen" Gemeinde angehören zu wollen.
Das Bundesverfassungsgericht betonte, dass es dem Staat aufgrund seiner Pflicht zur religiösweltanschaulichen Neutralität nicht gestattet sei, Glauben und Lehre einer Religionsgemeinschaft zu bewerten. Auch sei es rechtens, die Angabe der Religionszugehörigkeit beim Einwohnermeldeamt als Grundlage für eine Gemeindemitgliedschaft heranzuziehen. Diese Regelung sei keineswegs als eine durch das Grundgesetz verbotene "Zwangsmitgliedschaft" zu bewerten.
Aus dem grundgesetzlich verankerten Selbstbestimmungsrecht der Religionen, ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze zu organisieren, ergebe sich "insbesondere" auch das Recht, über die Bestimmungen von Ein- und Austritt zu entscheiden, so das Verfassungsgericht. Seine Grenzen finde dieses Selbstbestimmungsrecht allerdings in der ebenfalls im Grundgesetz verankerten negativen Religionsfreiheit, damit also dem Recht, keiner Religionsgemeinschaft angehören zu wollen. Dies sei im konkreten Rechtsstreit aber nicht der Fall, urteilte die erste Kammer des Zweiten Senats, der auch Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle angehört.
(KNA - pklmm-89-00017)
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