Religion spielt im Wahlverhalten arabischer Israelis keine Rolle
KNA 09.03.2015
Von Andrea Krogmann (KNA)
Haifa/Jerusalem (KNA) Arabische Beobachter sprechen von einem "historischen Moment" und einer "signifikanten politischen Entwicklung": Wenn am 17. März Israels Bürger zur Wahl der 20. Knesset an die Urne gebeten werden, wird erstmals eine vereinte Liste aller arabischen Parteien zur Wahl stehen. Das politische Spektrum der Bündnispartner - von islamisch-religiös über säkular-nationalistisch bis kommunistisch - könnte breiter kaum sein; mit der Listenverbindung "Hadasch" umfasst es selbst jüdische Kandidaten. Einen Zusammenhang zwischen Religionszugehörigkeit und Wahlverhalten der arabischen Wähler gibt es nach Einschätzung der Beobachter nicht.
Jüngste Vorhersagen sehen die "Vereinte Liste" aus Hadasch, Balad, Ra'am Ta'al und der Islamischen Bewegung auf 13 von 120 Parlamentssitzen. Bei der letzten Wahl lag die Beteiligung unter den rund 800.000 stimmberechtigten arabischen Israelis bei 53 Prozent; sollte das neue Bündnis mehr Wähler mobilisieren, könnten arabische Kandidaten nach Einschätzung der israelischen Menschenrechtsorganisation Adalah bis zu 15 Sitze gewinnen.
Adalah-Generaldirektor Hassan Jabareen setzt große Hoffnungen auf das Bündnis: "Die Liste steht als einzige hundertprozentig gegen Diskriminierung, Rassismus und Besatzung. Das sorgt für Hoffnung in der arabischen Bevölkerung und wird hoffentlich die Wahlbeteiligung fördern." Der Jerusalemer Anwalt und Wahl-Experte Elias Khoury teilt diese Einschätzung: "Der Zusammenschluss ist von strategischem Interesse und könnte ein Schritt in Richtung eines gemeinsamen Einsatzes für die Interessen der arabischen Israelis sein." Mit einer arabischen Wahlbeteiligung von 70 Prozent oder mehr für die Einheitsliste, so der orthodoxe Christ, könnte ein wirklicher politischer Wandel in Richtung einer jüdisch-arabischen Balance erreicht werden.
Zurückhaltend optimistisch äußert sich Azar Dakwar von der Organisation "Sikkuy", die sich für Gleichberechtigung zwischen jüdischen und arabischen Israelis einsetzt. "Die Einheitsliste bringt einen wichtigen Vorteil. Allerdings ist das Spektrum so eklektisch, dass es sehr auf das konkrete Pro-gramm ankommen wird. Gleichzeitig gibt es keine andere Kraft, die unsere Interessen vertritt." Vieles in der kommenden Wahl sei nicht vorhersehbar, sagt Dakwar. Besonders seit dem Gazakrieg im vergangenen Sommer und angesichts eines wachsenden jüdischen Nationalismus hätten viele Ara-ber den Eindruck, dass sich "qualitativ etwas geändert" habe.
Mit Aida Tomeh Saliman (Listenplatz 5) und Basel Ghattas (11) haben bei der "Vereinten Liste" zwei Christen einen sicheren Platz. Traditionell sind laut Dakwar und Khoury arabische Christen in der israelischen Politik überproportional vertreten. Eine Unterscheidung der wahlberechtigten Araber in Muslime und Christen halten beide hingegen für künstlich. Man könne nicht sagen, dass eine Mehrheit von Christen beim Wahlgang von Glaubensfragen beeinflusst seien, so Dakwar, der gleichwohl "Kräfte in diesem Land" am Werk sieht, "die Palästinenser entlang ihrer religiösen Zugehörigkeit zu spalten suchen".
"Wenn es auf das Thema Rechte der Araber kommt, spielt die Frage Christ oder Muslim keine Rolle", sagt auch Khoury. Jüngste Untersuchungen von Mtanes Schihadeh vom arabischen Sozialforschungszentrum "Mada al Carmel" in Haifa stützen dies: "Es lässt sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen Wahlverhalten und Religion feststellen", so Schihadeh. Die leicht höhere Wahlbeteiligung der Christen im Vergleich zu Muslimen wie auch eine stärkere Tendenz zur kommunistischen Hadasch führt er auf historische Gründe zurück.
Eine Auswahl zwischen mehreren arabischen Parteien haben die arabischen Wahlberechtigten in Israel nicht. Ob sie der gemeinsamen Liste ihre Stimme geben oder die Wahl boykottieren - beides, so Schihadeh, "ist aus palästinensischer Sicht ein Akt des Protests gegen den Status der arabischen Minderheit im Staat Israel".
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