Christen im Nahen Osten bangen um ihre Existenz
KNA 04.03.2015
Von Claudia Zeisel (KNA)
Bonn/Bagdad (KNA) Die Christen im Nahen Osten sehen sich zunehmend in Bedrängnis. Der syrisch-orthodoxe Patriarchalvikar für Jerusalem und Jordanien, Bischof Severios Malke Mourad, be-tonte vergangene Woche, 100 Jahre nach dem Genozid an armenischen und assyrischen Christen im ottomanischen Reich werde in Syrien ein zweiter Genozid an syrischen Christen verübt. In dramatischen Worten brachte der Vatikanbotschafter in Damaskus, Erzbischof Mario Zenari, seine Sorge zum Ausdruck: "Das Land ist mit dem Blut der Christen und dem der anderen religiösen Minderheiten getränkt".
Vergangene Woche waren über 200 Bewohner assyrischer und chaldäischer Dörfer in der nordsyrischen Region Al-Hasake von der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) verschleppt worden, bis zu 15 junge assyrische Christen wurden getötet. Neben der Entführung, brutalen Ermordung und Vertreibung der Christen steht auch der Versuch der Terroristen, die christliche Kultur in der Region auszulöschen.
Es genügt ein Blick ins nordirakische Mossul. Eine der größten und ältesten chaldäisch-katholischen Kirchen des Landes, die "Kirche der Jungfrau Maria", stand dort. Schon kurz nach der Einnahme Mossuls "enthaupteten" die Islamisten die am Kirchturm angebrachte Marienstatue, plünderten die Kirche und ließen sie später sprengen. Vor der Einnahme der Stadt und des Umlands durch die Islamisten lebten dort Zehntausende Christen - mittlerweile sind praktisch alle geflohen. Selbst der chaldäisch-katholische Erzbischof der Stadt, Emil Shimoun Nona, hat seinen Posten geräumt - er soll nun die chaldäische Ortskirche in Sydney leiten.
Viele Christen wollen nur noch raus aus dem Land - entgegen des Aufrufs vieler Priester und Bischöfe, zu bleiben, um das Christentum in der Region zu erhalten. Angesichts der jüngsten Entführungen in Nord-Syrien versuchten in der Nacht auf Dienstag Dutzende assyrische Christen, von Syrien aus in den Libanon zu gelangen - trotz eines dort verhängten Aufnahmestopps für syrische Flüchtlinge. Offizielle libanesische Vertreter hatten der Aufnahme von assyrischen Christen dennoch zugestimmt.
Die meisten Flüchtlinge haben im Nordirak und in den kurdischen Autonomiegebieten Zuflucht ge-funden. In Kirkuk sind seit Juli nach Angaben der Hilfsorganisation "Kirche in Not" um die 400.000 Flüchtlinge eingetroffen, davon etwa 11 Prozent Christen. Die Kirche dort hilft Angehörigen aller Religionen und versucht, Langzeitperspektiven zu schaffen. Der chaldäisch-katholische Erzbischof der Stadt, Yousif Thomas Mirkis, plant nach Angaben von "Kirche in Not" den Bau einer Siedlung für christliche Flüchtlinge.
In Erbil, wo noch mehr christliche Flüchtlinge leben als in Kirkuk, soll zudem der Schulbau vorangetrieben werden. Laut "Kirche in Not" ist es die größte Herausforderung, die Leute dazu anzuhalten, wieder Eigeninitiative zu ergreifen. "Bei Flüchtlingen, die seit Monaten alle Hilfe von der Kirche bekommen - von der Nahrung bis hin zur Unterkunft - ist die Gefahr groß, dass sie die Fähigkeit verlieren, selbstständig zu leben", sagte die Kirche-in-Not-Geschäftsführerin Karin Maria Fenbert der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Nach Einschätzung mehrerer Kirchenvertreter der Region reicht das Engagement einiger weniger Hilfsorganisationen für die bedrohten Christen nicht aus. Immer wieder wird die Forderung nach einer UN-Schutzzone laut. Nicht zuletzt der vatikanische Botschafter im Irak, Erzbischof Giorgio Lingua, sprach sich dafür aus. Eine Schutzzone solle eine Rückkehr der Flüchtlinge absichern und Gebiete abdecken, die vom "Islamischen Staat" (IS) bedroht seien. Bislang gibt es eine solche Initiative von Seiten der internationalen Gemeinschaft nicht.
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