Straßburg prüft Verwendung des Begriffs "Völkermord"
KNA 28.01.2015
Straßburg (KNA) Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof überprüft die Verwendung des Begriffs "Völkermord" für die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich. Ein Urteil der Großen Kammer wird in einigen Monaten erwartet, wie das Gericht am Mittwoch in Straßburg mitteilte. Geklagt hatte ein türkischer Politiker. Er war in der Schweiz wegen Leugnung des Völkermordes verurteilt worden. Bereits im Dezember 2013 hatte die kleine Kammer des Menschenrechtsgerichtshofs dem Politiker Recht gegeben. Seine Auffassung sei durch die Meinungsfreiheit geschützt.
Zwischen 1915 und 1918 wurden im damaligen Osmanischen Reich zwischen 300.000 und 1,5 Millionen Armenier ermordet. Während Historiker vom "ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts" sprechen und der türkischen Regierung die Verantwortung zuweisen, räumt die Türkei lediglich ein, dass es Massenvertreibungen und gewalttätige Auseinandersetzungen gegeben habe. In deren Folge seien Hunderttausende gestorben.
Hintergrund des Völkermords waren Versuche der 1909 an die Macht gelangten nationalistischen Jungtürken, ein einheitliches Reich zu schaffen, Türkisch als Einheitssprache und den Islam als alleinige kulturelle und religiöse Basis durchzusetzen. Der Erste Weltkrieg lieferte die Gelegenheit, dieses Konzept durchzusetzen. Nach dem Scheitern der türkischen Offensive gegen Russland im Januar 1915 begann am 24. April die systematische Verfolgung: Zu Tausenden wurde die Elite der Armenier verhaftet und hingerichtet; Zehntausende starben auf Todesmärschen.
Nach dem Ende des Weltkriegs leiteten die westlichen Siegerstaaten Prozesse ein. Ein Istanbuler Kriegsgericht konnte beweisen, dass die Verbrechen zentral vorbereitet wurden. Es verurteilte 17 Angeklagte zum Tode; drei Hinrichtungen wurden vollstreckt. Die Haupttäter flohen, einige wurden später von armenischen Attentätern ermordet.
Mittlerweile haben 22 Staaten den Genozid offiziell anerkannt, darunter Frankreich, Italien und die Niederlande. 1985 erschien der Begriff "Armenian genocide" in einem offiziellen Papier der UNO. Der Deutsche Bundestag sprach 2005 lediglich von "Deportationen und Massakern".
(KNA - pklms-89-00075)
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