Am 6. Juni besucht Franziskus Bosnien und Herzegowina
KNA 26.05.2015
Von Johannes Schidelko (KNA)
Vatikanstadt (KNA) Papst Franziskus macht weiter ernst mit dem Gang an die Peripherie, an die Randzonen menschlicher Existenz und politischer Komplikationen. Auch sein nächster Pastoralbesuch in Europa führt nicht zu den Wallfahrtszentren oder den großen Kirchenjubiläen, die ursprünglich für 2015 im Gespräch waren. Stattdessen begibt er sich am Samstag (6. Juni) nach Sarajevo, wo der Bosnien-Krieg 1992 bis 1996 so heftig wütete wie an kaum einem anderen Ort des auseinanderbrechenden Ex-Jugoslawien. Und wo der Neuaufbau eines multiethnischen und multireligiösen Staates vor ständig neuen Problemen und Herausforderungen steht.
Ursprünglich galten Spanien - zum 500. Geburtstag der Kirchenlehrerin Teresa von Avila (1515-1582) - und das französische Lourdes als wohl nächste Reiseziele. Stattdessen entschied sich Franziskus wieder für den Südosten des Kontinents. Mit seiner dreijährigen Belagerung im Bosnien-Krieg und mit mehr als 10.000 Todesopfern war die Stadt ein Sinnbild für erbitterten Kampf und sinnloses Töten.
Acht Monate nach dem Besuch in Albanien, einst "erster atheistischer Staat der Welt", fährt Franziskus damit erneut in ein Land in einer schwierigen Aufbauphase. In Bosnien-Herzegowina leben seit dem Friedensabkommen von Dayton 1995 bosnische Muslime, orthodoxe Serben und katholische Kroaten in einem Staat mit zwei politischen "Entitäten": der Bosniakisch-Kroatischen Föderation und der serbischen Republika Srpska.
Sein Besuch solle eine "Ermutigung für die Katholiken" sein; eine "Gärung des Guten auslösen und einen Beitrag für mehr Brüderlichkeit, Frieden, interreligiösen Dialog und Freundschaft leisten", sagte der Papst selbst bei der Ankündigung der Visite. Er griff damit auf Themen zurück, die auch im September 2014 in Tirana eine Rolle spielten. Auch dort waren Zusammenarbeit und Harmonie zwischen Christen verschiedener Konfessionen sowie zwischen Christen und Muslimen in einem sensiblen politischen Geflecht seine Hauptanliegen.
Es ist die insgesamt dritte Papstreise in das Land. Im April 1997 kam Johannes Paul II. für zwei Tage ins zerstörte Sarajevo. Wenige Stunden vor seiner Ankunft wurden damals an seiner Fahrtstrecke unter einer Brücke Sprengsätze gefunden und entschärft. Ursprünglich wollte der Papst aus Polen bereits drei Jahre zuvor durch eine Reise in die drei Hauptstädte der Kriegsgegner, von Kroaten, Serben und Bosniern, einen Frieden gegen alle Logik erzwingen. Doch Belgrad winkte ab, und Sarajevo kam aus Sicherheitsgründen nicht infrage. Blieb nur ein Besuch in Zagreb - von wo aus er die Kriegsgegner zum Ende des Blutvergießens aufrief.
2003 unternahm Johannes Paul II. eine weitere Versöhnungsreise; nach Banja Luka, in die von ethnischen Säuberungen besonders schwer geschundene Hauptstadt der bosnischen Serben-Republik. Höhepunkt war die Seligsprechung des bosnischen Kroaten Ivan Merz (1896-1928), eines katholischen Intellektuellen. Der Papst setzte damit eine Friedensmission fort, die ihn wenige Tage zuvor nach Kroatien geführt hatte.
Die dritte Reise eines Papstes nach Bosnien und Herzegowina dauert diesmal gerade elf Stunden. Zur Begrüßung trifft Franziskus mit den Mitgliedern des Staatspräsidiums zusammen, das aus Vertretern der drei Volksgruppen besteht und die Funktion des Staatsoberhaupts innehat. Den alle acht Monate wechselnden Vorsitz hat dann der Serbe Mladen Ivanic inne. Höhepunkt ist eine Messe im Kosevo-Stadion - das während der Belagerung der Stadt in einen improvisierten Friedhof mit mehreren tausend Gräbern verwandelt wurde. Zudem sind Begegnungen mit Vertretern anderer Religionen und christlicher Kirchen, mit Jugendlichen, mit Priestern und Ordensleuten und den Bischöfen des Landes geplant. Von den heute rund 3,8 Millionen Bewohnern sind 440.000 Katholiken.
Anders als bei sonstigen Reisen von Franziskus stehen diesmal keine Treffen mit Armen und Bedürftigen oder Besuche in Sozialstationen auf dem Programm. Diesmal gilt die ganze Reise einem vom Krieg zerrissenen Land. Ein Land, das in einem mühsamen und auch von Korruption und sozialen Unruhen begleiteten Aufbau den Weg zum einvernehmlichen Zusammenleben sucht, aber auch zur Aufarbeitung seiner Vergangenheit.
(KNA - pkpmm-89-00089)
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