Außenamt zu Armenien: Ziel der Versöhnung im Auge behalten
KNA 17.04.2015
Berlin (KNA) Im Streit um die Anerkennung des Genozids an den Armeniern vor hundert Jahren hat der Sprecher des Außenministeriums, Martin Schäfer, dazu aufgerufen, das Ziel der Aussöhnung nicht aus dem Blick zu verlieren. Trotz aller unterschiedlichen Einschätzungen müsse ein gemeinsamer vernünftiger Weg in die Zukunft der betroffenen Völker gefunden werden, sagte Schäfer am Freitag in Berlin. Regierungssprecher Steffen Seibert betonte, dass sich an der Haltung der Bundesregierung nichts geändert habe.
Bislang vermeidet die Bundesregierung im Zusammenhang mit den Gräueltaten den Begriff Völkermord. Vor allem die Armenier drängen aber auf eine Anerkennung ihrer Geschichte. Die türkische Regierung bestreitet hingegen vehement, dass es sich um einen Genozid handelte. Schätzungen zufolge wurden zwischen 1915 und 1922 bis zu 1,5 Millionen Armenier, christliche Syrer und Pontos-Griechen im Osmanischen Reich ermordet.
Nach Schäfers Worten hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) schon seit längerer Zeit auch in der Türkei immer wieder darauf hinwiesen, wie wichtig es sei, sich in dieser Frage der eigenen Vergangenheit zu stellen. Schäfer räumte allerdings ein, dass die Appelle bislang nicht zu den erhofften Ergebnissen geführt hätten.
Der Bundestag will am 24. April des 100. Jahrestages der Gräueltaten an den Armeniern gedenken. Am Abend zuvor wollen die Kirchen in einem ökumenischen Gottesdienst im Berliner Dom an die Ereignisse erinnern. Im Anschluss an den Gottesdienst will Bundespräsident Joachim Gauck sprechen. Auf eine Mitschuld Deutschlands hatte der Bundestag bereits 2005 hingewiesen; auch damals wurde der Begriff Völkermord nur in der Begründung zu einem gemeinsamen Antrag erwähnt.
Unteressen forderten rund 120 deutsche Wissenschaftler vom Bundestag die Anerkennung als Völkermord. "Vergeben Sie die historische Chance nicht, den Opfern, den Überlebenden und den Nachfahren des Völkermords an den Armeniern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen", heißt es in einem am Freitag in Berlin veröffentlichten Brief. Zu den Unterzeichnern gehören die Historiker Jürgen Osterhammel, Jörn Rüsen, der Politologe Elmar Altvater, der Publizist Micha Brumlik, die Ägyptologen Jan und Aleida Assmann sowie der Soziologe Moshe Zuckermann und der frühere evangelische Bischof Wolfgang Huber.
Nach Ansicht der Wissenschaftler wäre es "eine Einwilligung in die Politik der Leugnung", das Massaker nicht als Völkermord anzuerkennen. Zahlreiche Parlamente, darunter das französische, schwedische und niederländische und das Europäische Parlament hätten den Völkermord bereits benannt. Papst Franziskus hatte die Ermordung als "ersten Genozid des 20. Jahrhunderts" bezeichnet und damit scharfen Protest der türkischen Regierung hervorgerufen. Auch das EU-Parlament hatte von der Türkei die Anerkennung des Völkermords gefordert.
Auch der Berichterstatter für Armenien in der Unionsbundestagsfraktion, Christoph Bergner (CDU), sprach sich für klare Formulierungen in dem Koalitionsantrag zum Gedenken an die Massaker aus. "Jedenfalls bin ich gegen jeden Versuch, im Antragstext den Begriff Völkermord zu vermeiden, um ein verharmlosendes Bild der Geschehnisse vor 100 Jahren zu zeichnen", sagte der CDU-Politiker am Freitag Spiegel Online.
(KNA - pkolr-89-00129)
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